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Urheberrecht

AG München: Reisekosten des Prozessbevollmächtigten bei ausländischer Partei nicht zu erstatten, wenn ohne Grund an einem ganz anderen Ort geklagt wird

(update: Dieser Beschluss wurde inzwischen vom BGH aufgehoben – siehe Bericht dazu hier). AG München – Beschluss vom 10.07.2012 – 142 C 32827/11> AG München KFB vom 10-07-2012 Keine Erstattung Reisekosten bei missbrauchlicher Wahl Gericht anonymisiert: Reisekosten des Prozessbevollmächtigten der ausländischen Partei sind nicht erstattungsfähig, wenn ohne sachlichen Grund oder örtlichen Bezug in der Sache am anderen Ende von Deutschland geklagt wird, jedoch nach § 32 ZPO ohne Not ein kostengünstigerer Prozessort wählbar gewesen wäre. Wenn der Kläger gegen das Gebot verstößt, so kostengünstig wie möglich zu prozessieren, sind die Mehrkosten nicht notwendig im kostenrechtlichen Sinne und daher nach § 91 ZPO keine erstattungsfähigen Kosten der Prozessführung. Es ist nicht notwendig, den Gerichtsstand ausgerechnet am anderen Ende Deutschlands auszuwählen. Ein sachlicher Grund hierfür wurde nicht vorgetragen und ist auch nicht erkennbar, da jeder örtliche Bezug fehlt.
Damit hat das Amtsgericht München einem englischen Pornohersteller und seinem auf Filesharing-Abmahnungen spezialisierten Rechtsanwalt doch mal ein wenig Schranken gesetzt, sodaß wohl künftig der Gerichtssort nicht mehr ausgerechnet am anderen Ende Deutschlands gewählt werden wird. Der Taktik mit unverhältnismäßig teuren Prozessskosten (durch Wahl eines weit entfernten Gerichtsort) den abgemahnten Anschlussinhaber daran zu hindern, sich gegen von ihm nicht nachvollziehbare Ansprüche vor Gericht zur Wehr zu setzen, sind Grenzen gesetzt worden. Eine gute Entscheidung aus München!
Auszug den Gründen:

In dem Rechtsstreit
M., K., ….. London, Grossbritannien,
…………………………………- Kläger –

Prozessbevollmächtigter: Rechtsanwalt………..Kiel
gegen
Herr ……………………………….Wehrheim
– Beklager –
Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwältin Stefanie Hagendorff, Hugenottenstr.94, 61381 Friedrichsdorf

Kostenfestsetzungsbeschluss

Die von der Beklagtenpartei an die Klägerpartei gemäß § 106 ZPO nach dem Vergleich des Amtsgerichts München vom 29.02.2012 zu erstattenden Kosten werden auf
62,61 € nebst Zinsen in Höhe von 5 %-Punkten über dem Basiszinssatz gemäß § 247 BGB hieraus seit dem 11.04.2012 festgesetzt.
Gründe:…
Die Fahrkosten auf Klägerseite sind nicht zu erstatten.
Der Kläger beruft sich darauf, dass jede Partei ein berechtigtes Interesse daran hat, sich durch einen Rechtsanwalt ihres Vertrauens auch vor auswärtigen Gerichten vertreten zu lassen. Demnach wären Reisekosten vom Geschäftssitz oder Wohnort der Partei zum Gericht zu erstatten. Diesem Rechtsgrundstatz wird hier gefolgt. Ebenso wird die Auffassung geteilt, dass eine ausländische klägerische Partei einen Rechtsanwalt an jedem beliebigen deutschen Ort mit der Vertretung ihrer Interessen beauftragen darf und die entsprechenden Reisekosten dann erstattungsfähig sind. Maßgebend hierfür ist dabei aber immer ein fester Gerichtsstand.
Dies ist im vorliegenden Fall der entscheidende Unterschied. Der ausländische Kläger hat sich einen Anwalt seines Vertrauens in Kiel ausgesucht. Mit diesem Anwalt seines Vertrauens konnte er den Gerichtsstand in Deutschland frei wählen. Die Partei entschied sich mit dem vorher ausgesuchten Rechtsanwalt für den Gerichtsstand München. Das durfte sie auch. Die Frage ist jedoch, ob die dadurch anfallenden erheblichen Reisekosten von der Gegenseite auch zu erstatten sind. Dies ist meines Erachtens zu verneinen. Es handelt sich nicht um notwendige Kosten im Sinne von § 91 ZPO. Die Partei hätte mit ihrem Anwalt auch den Gerichtsstand Kiel oder ein Gericht zumindest in der Umgebung auswählen können, ohne dass dadurch ein Nachteil gedroht hätte. Im Zeichen der Prozessökonomie gilt das Gebot, so kostengünstig wie möglich zu prozessieren (Zöller, § 91 ZPO RdNr. 13 „Wahl des Gerichtsstandes“). Dies ist im vorliegenden Fall bei den unverhältnismäßig hohen Reisekosten nicht erkennbar. Es ist nicht notwendig, den Gerichtsstand ausgerechnet am anderen Ende Deutschlands auszuwählen. Ein sachlicher Grund hierfür wurde nicht vorgetragen und ist auch nicht erkennbar, da jeder örtliche Bezug fehlt.
Gez.
Rechtspflegerin“

Die Entscheidung wurde von Rechtsanwältin Stefanie Hagendorff erstritten. Der zugehörige Nichtabhilfebeschluss vom 27.09.2012 im VolltextAG München Beschluss vom 27-09-2012 anonymisiert. Der Rechtsanwalt der ausländischen Kläger hat hiergegen Beschwerde eingelegt, über die noch nicht entschieden ist – die Entscheidung ist daher noch nicht rechtskräftig.

Von Stefanie Hagendorff - Rechtsanwältin und IT-Fachanwältin

Rechtsanwältin Hagendorff - Fachanwältin für IT-Recht und Datenschutzrecht mit Sitz in Friedberg bei Frankfurt/Main
Deutschland, Stefanie Hagendorff
https://www.it-fachanwaeltin.de/

2 Antworten auf „AG München: Reisekosten des Prozessbevollmächtigten bei ausländischer Partei nicht zu erstatten, wenn ohne Grund an einem ganz anderen Ort geklagt wird“

[…] RAin Stefanie Hagendorff, Friedrichsdorf: "AG München – Beschluss vom 10.07.2012 – 142 C 32827/11 : Reisekosten des Prozessbevollmächtigten der ausländischen Partei sind nicht erstattungsfähig, wenn ohne sachlichen Grund oder örtlichen Bezug in der Sache am anderen Ende von Deutschland geklagt wird, jedoch nach § 32 ZPO ohne Not ein kostengünstigerer Prozessort wählbar gewesen wäre." __________________ The Ocean – The Origin of Species; The Origin of God […]

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