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LG Köln Az. 209 O 188/13 stellt klar: Abruf von Streaming ist keine Urheberrechtsverletzung

Nach der Aufregung und Verunsicherung bei vielen Tausend Internetnutzern wegen Abmahnungen der Kanzlei U+C im Auftrag der The Archive AG gegen Anschlussinhaber wegen Abrufs von Videostreams auf einem Porno-Portal namens redtube.com Anfang Dezember 2013, hat sich die Lage glücklicherweise wieder zwischen den Jahren ein wenig beruhigt. Die Gefahr weiterer Abmahnwellen scheint vorerst gebannt zu sein. Aufgrund von Beschwerden einiger Betroffener bei dem Landgericht Köln haben die Kammern, die anders als die 28. und die 14. Kammer, hier fälschlicherweise die Streamingsachen durchgewunken haben, mitgeteilt, dass sie diese Providerbeschlüsse für rechtswidrig erklären werden. Die Beschwerden haben damit offenbar geholfen und dazu geführt, dass die Richter sich mit den auf Urheberrecht spezialisierten Kammern 28 und 14 abgestimmt und zu einer einheitlichen Linie gefunden haben, die erfreulicherweise klarstellt, dass die Auskunftsanträge der The Archive AG wegen angeblicher Urheberrechtsverletzungen durch „download“ d.h. den Abruf von Videostreams auf redtube.com rechtswidrig waren und die Betroffenen in ihren Rechten verletzten.

Aufgrund der Beschwerden haben die Richter die Anträge nochmal gründlich gelesen und festgestellt, dass weder in tatsächlicher Sicht noch aus rechtlicher Sicht sich aus dem Antrag des RA Daniel Sebastian die für die Herausgabe der Daten vom Provider erforderliche „offensichtliche“ Urheberrechtsverletzung ergibt. Die Voraussetzungen für die Herausgabe der Kundendaten nach § 101 Abs. 9 UrhG lagen somit gar nicht vor.
Während die auf Urheberrecht spezialisierten Kammern die Auskunftsanträge des RA Sebastian für The Archive AG daher von vornherein zurückgewiesen haben (siehe 214 O 190/13 und 228 O 173/13), haben die Richter der übrigen mit der Flut von Auskunftsanträgen der The Archive AG befassten Kammern,  teilweise offenbar die Akten nicht richtig gelesen und irrig den Standardfall einer unerlaubten Veröffentlichung in einer Tauschbörse nach § 19a UrhG angenommen, obwohl RA Sebastian dies gar nicht vorgetragen hatte. Auf die Beschwerden haben nunmehr am 20.12.2013 die anderen Kammern daher nach nochmaliger Prüfung erkannt, dass die Auskunftsbeschlüsse rechtswidrig waren und dies daher RA Sebastian zur Stellungnahme binnen 10 Tagen mitgeteilt. So heißt es z.B. in einem Hinweisschreiben der 9. Zivilkammer des Landgerichts Köln an den Anwalt der The Archive AG:

LG Köln – Hinweisschreiben an Rechtsanwalt Daniel Sebastian als Vertreter der The Archive AG, Az. 209 O 188/13 vom 20.12.2013 –

„….in der Zivilsache The Archive AG werden die Beschwerden vom 12.12.2013 zur Kenntnisnahme und Stellungnahme übersandt.

Nach nochmaliger Prüfung gibt die Antragsschrift Veranlassung zu folgenden Hinweisen:

1) Das Vorliegen einer „offensichtlichen Rechtsverletzung“ ist weder hinreichend dargelegt noch glaubhaft gemacht. Der Antrag bezieht sich – anders als in vorangegangenen Verfahren, die das öffentliche Zugänglichmachen nach § 19a UrhG zum Gegenstand hatten – auf einen „Download“ des geschützten werks und damit auf einen Verstoß gegen das Vervielfältigungsrecht aus § 16 UrhG. Zur Form des Downloads und der Identität des jeweiligen Webhosters, fehlt es indes an klarstellendem Vortrag, so dass nicht beurteilt werden kann, ob eine Speicherung auf der Festplatte erfolgt oder ein Fall des „Cachings“ oder „Streamings“ vorliegt, bei dem streitig ist, ob hierdurch urheberrechtliche Vervielfältigungsrechte verletzt werden.

Ausweislich des in Bezug genommen Gutachtens der D. & P. GbR vom 22. März 2013 dürfte das Programm „GLADII 1.1.3“ dabei nur den Vorgang des sogenannten „Streamings“, also des Abspielens einer Video-Datei im Webbrowser des Nutzers, dokumentieren. Die Kammer neigt insoweit der Auffassung zu, dass ein bloßes „Streaming“ einer Video-Datei grundsätzlich noch keinen relevanten rechtswidrigen Verstlß im Sinne des Urheberrechts, insbesondere keine unerlaubte Vervielfältigung i.S.d. § 16 UrhG darstellt, wobei diese Frage bislang noch nicht abschließend höchstrichtlerlich geklärt ist. Eine solche Handlung dürfte vielmehr bei nur vorübergehender Speicherung aufgrund einer nicht offensichtlich rechtswidrig hergestellten bzw. öffentlich zugänglich gemachten Vorlage regelmäßig durch die Vorschrift des § 44a Nr. 2 UrhG gedeckt sein (vgl. Busch, GRUR 2011, 496; Stolz, MMR 2013, 353).

Die Antragstellerin trägt keine relevanten Tatsachen vor, die vorliegend eine andere Beurteilung rechtfertigten.

Insoweit begründen sowohl die unklare Tatsachenlage als auch die ungeklärte Rechtsfrage bereits Zweifel an der erforderlichen „Offensichtlichkeit“ der Rechtsverletzung.

2) Weiterhin ist auch die ordnungsgemäße Ermittlung der IP-Adressen weder hinreichnd dargelegt noch glaubhaft gemacht. Das Gutachten der D. & Partner GbR vom 22. März 2013 befasst sich mit der Erfassung des von dem Gutachter selbst initiierten Download(?)vorgangs. Dass auch Downloads von anderen Rechnern zuverlässig erfasst würden, ergibt sich hieraus nicht. Insoweit ist der Kammer derzeit auch nicht erkennbar, wie das eingesetzte Ermittlungsprogramm in der Lage sein soll, die IP-Adresse des Downloaders zu erfassen, der lediglich mit dem Server kommuniziert, auf dem das Werk hinterlegt ist. Es bleibt mithin die Frage unbeantwortet, wie das Programm in diese zweiseitige Verbindung eindringen kann….“

Da es sich hier um das durch Art. 10 Grundgesetz geschützte Fernmeldegeheimnis handelt, in das unerlaubt eingegriffen wurde (dies stellt § 101 Abs. 10 UrhG auch ausdrücklich klar), sind diese Eingriffe durchaus schwerwiegend und bleibt zu hoffen, dass die Richter künftig die Anträge genauer prüfen, um nicht weitere Abmahnlawinen wegen Abrufs von Videostreams im Internet zu ermöglichen. Wie die Staatsanwaltschaft Köln aber mitgeteilt hat, wird daher nun auch wegen dieser zweifelhaften Überwachung und Verfolgung von Internetnutzern durch Private für den Zweck der Verfolgung von abwegigen Schadenersatzansprüchen aus angeblichen Urheberrechtsverletzungen  gegen die Verantwortlichen strafrechtlich ermittelt.

Aber auch in zivilrechtlicher Hinsicht wird es wichtig sein, die Abmahner von weiteren Abmahnwellen wegen Streamings abzuhalten, denn wie die Erfahrung zeigt, ist die beste Abschreckung nicht (nur) eine strafrechtliche Verfolgung, sondern vor allem auch die klare Botschaft der Zivilgerichte, dass abwegige Abmahnungen, die an sich aus technischen Gründen nur durch Betrug oder unerlaubtes Abfangen von durch das Fernmeldegeheimnis geschützten privaten Daten zustandegekommen sein können, nicht wirtschaftlich für die Abmahner erfolgreich sein dürfen.

Im Fall der betroffenen der Redtube-Abmahnungen der Kanzlei U+C teilte jedenfalls die 9. Kammer mit o.g. Schreiben vom 20.12.2013 mit:

„…Aufgrund dessen …neigt die Kammer im Hinblick auf die bereits erfolgte Auskunftserteilung dazu, Beschwerden gegen den Gestattungsbeschluss grundsätzlich abzuhelfen und gem. § 62 Abs. 1 FAmFG auszuspechen, dass der angegriffene Beschluss weitere Beteiligte Anschlussinhaber in ihren Rechten verletzt hat (vgl. OLG Köln, Beschl. vom 05.10.2010 – 6 W 82/10; BGH, Beschl. vom 05.12.2012 – I ZB 48/12).“

Von Stefanie Hagendorff - Rechtsanwältin und IT-Fachanwältin

Rechtsanwältin Hagendorff - Fachanwältin für IT-Recht und Datenschutzrecht mit Sitz in Friedberg bei Frankfurt/Main
Deutschland, Stefanie Hagendorff
https://www.it-fachanwaeltin.de/

15 Antworten auf „LG Köln Az. 209 O 188/13 stellt klar: Abruf von Streaming ist keine Urheberrechtsverletzung“

„die anders als die 28. und die 14. Kammer, hier fälschlicherweise die Streamingsachen durchgewunken haben,“

Diese Kammern sind grundsätzlich nicht mit Auskunftsverfahren befasst. Bitte ändern Sie ihren Artikel.

Sind dann jetzt die Abmahnung, die aufgrund des Auskunftsbeschlusses AZ 209 0 188/13 erteilt wurden, unwirksam? Und triftt das jetzt auf alle Auskunftsbeschlüsse zu? Des weiteren sollte RA Sebastian binnen 10 Tage Stellung nehmen, heisst das Werktage?

Liebe Claudia, sorry, diese Rückfrage ist in der Hektik bei mir untergegangen: nur ganz kurz, da hierzu bereits viel in den Medien geschrieben wurde: RA Sebastian hat nach meinen vom Gericht überlassenen Informationen hierzu nichts weiter vorgetragen, daher ist die Rechtswidrigkeit vom Landgericht nachträglich entsprechend der oben mitgeteilten Gründe von der 9. Kammer entschieden worden. Die anderen Kammern des Landgerichts sind derzeit anscheinend noch überlastet, werden aber vermutlich genauso entscheiden.. Betroffen, die sich lediglich einen Stream auf redtube.com angesehen haben, haben hier nach meiner Ansicht nichts in rechtlicher Hinsicht zu befürchten. Vielmehr ermittelt nun die Staatsanwaltschaft gegen die Verantwortlichen und Dienstleister, die diese Abmahnwelle veranlasst und ermöglicht haben.

Die Beschwerde bzgl. des Auskunftsbeschlusses AZ 209 0 188/133 wurde ja stattgegeben. D.h. aber die Abmahnung hat nach wie vor Bestand, nur die Daten in der Abmahnung dürfen nicht benutzt werden oder sind die Abmahnungen des Auskunftsbeschlusses AZ 209 0 188/13 jetzt unwirksam?

Über die Wirksamkeit der Abmahnungen wurde aufgrund der Beschwerde gegen den Auskunftsbeschluss zwar nicht entschieden, aber wenn keine Urheberrechtsverletzung im Abrufen von Streams gesehen werden kann, und dieser Auffassung hat sich das Landgericht Köln ja nach nochmaliger Überprüfung angeschlossen, dann folgt daraus, dass die Abmahnungen der Kanzlei U+C, die auf Grundlage der zu Unrecht ergangenen Auskunftsbeschlüsse ermöglicht wurden, der allein deshalb bereits unberechtigt sind.

Es ist halt nur für viele Betroffene nicht nachvollziehbar, dass auf Grundlage der zu Unrecht ergangenen Auskunftsbeschlüsse und daraus erfolgten Abmahnungen, diese noch nicht für unwirksam erklärt wurden.

Oder hängt es damit zusammen, dass gegen die Beteiligten – hoffentlich – ermittelt wird. Den diesbezüglich ist nur bekannt, dass div. Strafanzeigen gestellt wurden, ob wirklich ermittelt wird ist noch nicht bekannt.

Es ist seit Beginn des Redtube-Falls schon einiges an Zeit vergangen und die Beteiligten hatten genügend Zeit belastbares Material zu beseitigen.

Hallo Frau Hagendorff,

ein Blogger (siehe auf law blog.de, Thread „Entwarnung für Stream-Gucker“ unter Post # 1974) von der Telekom folgende Information erhalten: Die Deutsche Telekom hat die involvierten Kanzleien zur Löschung der erlangten Daten aufgefordert.

Inwiefern ist es möglich die Löschungen zu kontrollieren?

Dass die Deutsche Telekom die Namen und Adressen aufgrund eines Auskunftsbeschlusses angeben müssen ist klar, sind sie aber auch verpflichtet die Benutzerkennungsnummer anzugeben?

Die Benutzerkennungsnummer kann man nicht ändern lassen, da sie ja ein Vertragsbestandteil ist. Um ein andere Benutzerkennungsnummer zu bekommen, müsste man den jetzigen Vertrag kündigen und einen neuen Vertrag abschliessen, womit weitere Kosten auf die Betroffene zu kommen würden.

Man weiss ja nie, ob die Beteiligten die Benutzerkennungsnummer irgendwann wieder benutzen oder vielleicht ja an andere „Abzocker“ weiter veräußeren.

Im voraus schon mal vielen Dank für Ihre Antwort.

Hallo Claudia.
1. die Telekom benötigt intern für die Prüfung, welcher Kunde der jeweiligen IP-Nr zum geloggten Zeitpunkt zugeordnet war, die Benutzerkennung. Zur Auskunft an die Abmahnkanzleien darf sie aber nur die zugehörige Name und Anschrift herausgeben. Denn die richterliche Verfügung betrifft regelmäßig nach § 101 Abs. 9 Urhg immer nur Name und Anschrift, nicht auch weitere Daten wie etwa die Benutzerkennung. Leider wird aber in der Praxis meist auch die Benutzerkennung angegeben und so war diese auch in den U+C Abmahnungen mit angegeben.
2. Die Telekom hat U+C aufgefordert, die Daten nicht zu verwenden, weil diese unrechtmäßig erhoben wurden – übrigens theoretisch auch unter Beteiligung der Telekom selbs, die merkwürdigerweise als Beteiligte des Auskunftsverfahrens hierzu auch nicht widersprechend eingegriffen hat und insofern ein Mitverschulden an dieser Justizpanne hat, denn sie hätte im Interesse ihrer Kunden ja den Antrag mal lesen und gerade auch wegen ihres überlegenen datenschutztechnischen Wissens als kommerzieller TK-Provider protestieren können. Aber hier wird es den zuständigen Sachbearbeitern ebenso wie den Richtern gegangen sein, dass angesichts der Masse der Anträge hier nicht immer pflichtgemäß geprüft wurde. Das Schreiben der Telekom an U+C liegt mir nicht vor, die genaue Begründung kann ich nur vermuten und daher wäre ich dankbar für den Link zu dem Schreiben.
3. Sicher kontrollieren kann man derzeit einen Mißbrauch der Benutzerkennung der Betroffenen nicht, aber wenn U+C oder andere Abmahnkanzleien die Abmahnungen weiterverfolgen würden, obwohl inzwischen offensichtlich die Daten unerlaubt erhoben werden, würden sie sich m.E. dann mindestens einer Ordnungswidrigkeit schuldig machen, indem wissentlich unerlaubt erhobene Daten verwendet werden, möglicherweise eben auch wegen versuchten gewerblichen Betruges auch strafbar.
Generell kann derzeit natürlich nicht sicher kontrolliert werden, ob Betrüger die Daten pflichtwidrig nicht löschen oder mißbrauchen. Es ist ohnehin so, dass jeder, der nicht mit einem Anonymisierungsdienst im Internet surft, wissen muß, dass jeweils jeder Abruf einer Webseite und die Dateneingaben, insbesondere bei der Nutzung von „Gefällt mir“-Buttons und „Teilen“ Buttons über viele Knotenpunkte alle Abrufe mitgeloggt werden. Ich würde also – wenn ich Betroffener einer solchen Abmahnung wäre und Kunde der Telekom wäre und mir Sorgen vor dem Mißbrauch der Benutzerkennung mache, das Passwort ändern und möglichst lang und individuell machen und die Telekom hierauf hinweisen, dass der Herausgabe der Daten an U+C, insbesondere auch der Benutzerkennung an die Abmahner widersprochen wird und zur Beseitigung der hiermit verbundenen zusätzlichen Sicherheitsrisiken, um kostenlose Zuteilung einer neuen Benutzerkennung gebeten wird. Selbst soweit die Telekom sich bei der Herausgabe von Namen und Anschrift zunächst darauf berufen konnte, dass dem ein gerichtlicher Beschluss nach § 101 ABs.9 UrhG zugrundelag, ist die Praxis jedoch zu beanstanden, dass auch die Benutzerkennung beauskunftet wird, obwohl dies wie üblich von den Richtern gar nicht erlaubt worden war.

DIe antwort hat mir auch sehr geholfen ich danke ihnen dafür frau Richterin.
Ich finde es eine sehr respektable Geste das sie tips geben bzw auf rechtsfragen antworten ohne eine gegenleistung, wie es einige Kollegen von ihnen tun. Die weisen bei einer Frage auf ihrer Website nur darauf hin das eine Beratung einen Pauschalbetrag kostet und hinterlassen ihre Telefonnummer…

Liebe Grüße Rolf

Hallo Frau Hagendorff,

Ergänzung zum o.g. law blog Link.

Blogger Wern hat eine weitere Antwort von der Telekom, wobei sie sich zu dem Schreiben an die Anwälte keine Details bzgl. des Inhalts äußern wollen.

Siehe Post # 2138

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