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#Werbevideos und #Vertragsfallen

Unseriöse Vertriebsmodelle, Werbevideos und Vertragsfallen – ein paar Tipps aus aktuellen Anlass von Rechtsanwältin Hagendorff

Das Internet ist voller engagierter Experten, die uns euphorisch erklären, wie wir angeblich kinderleicht von zuhause ein erfolgreiches Online-Business aufziehen können. Auf tollen Events mit sympathischen, dynamischen Referenten wird den Interessenten rhetorisch perfekt und überzeugend vermittelt, sie könnten von dem erfolgreichen Jungunternehmern lernen, wie man „ganz einfach“ ebenfalls ein erfolreiches Online-Business aufbaut – ohne Vorkenntnisse. Man müsse nur die vielen Videos, Webinare und Anleitungen durcharbeiten und das umsetzen, dann sei das kinderleicht. Wenn man nicht zurechtkomme, helfe auch noch ein Online-Support-Team. In den Videos und telefonisch per Videotelefonie oder Messenger versprechen die freundlichen Mitarbeiter des Referenten auch, dass man 30 Tage oder 5 Wochen eine Zufriedenheitsgarantie bekomme. „Du erhälst garantiert dein Geld zurück, wenn Du nicht zufrieden bist und kannst den Vertrag widerrufen.“, sagen sie dir. Leider hast Du aber keinen schriftlichen Vertrag, hast aber ganz euphoisch schon mal die erste Rate gezahlt, um endlich starten zu können. Nachdem du gezahlt hast, ist das Video weg. E-mails enthalten keine echten Daten, die die Identität der Vertragspartner verschleiern. Webseiten kannst Du auch nicht mehr finden. Spätestens jetzt ist recht klar: Du bist in eine Vertragsfalle geraten. Du hast keinen Vertrag, in dem die Widerrufsfrist und Zufriedenheits-Geld-Zurück-Garantie geregelt und die Identität des anderen verifiziert wäre. Solche und ähnliche Maschen sind leider bei geschäftlich unerfahrenen Menschen erfolgreich, weil diese mit einem zu geringen Einkommen leben müssen und durch die geschickt gemachten Videos und Webinare Hoffnung schöpfen, einen Weg zu finden, sich „online“ ein „Business“ aufzubauen. Tatsächlich ist es natürlich nicht so einfach und fehlen klare Verträge, um die Zufriedenheitsgarantie bei Widerruf durchzusetzen und das Geld zurückzubekommen.

Tipps für Betroffene:

  1. Wem das passiert ist und Zahlungen geleistet hat, sollte umgehend ein Widerrufsschreiben an den Anbieter senden und hilfsweise wegen Täuschung anfechten und das Geld zurückverlangen – auch wenn das oft nicht erfolgreich ist, weil die Durchsetzung davon abhängt, ob Betroffene es schaffen, die Zusagen und Frist der „Zufriedenheitsgarantie“ irgendwie zu belegen.
  2. Es gibt manchmal noch die Chance, über den Käuferschutz bei dem Bezahldienst z.B. bei Paypal innerhalb von 180 Tagen das Geld zurückzuerhalten. Dazu muß man sich an den Bezahldienst wenden, über den man die Zahlung geleistet hat. Bei Paypal sind die AGB und die Käuferschutzrichtlinien zu beachten. Es kommt darauf an, ob der Käuferschutz nach den Paypal-Käuferrichtlinie im konkreten Fall ausgeschlossen ist und dies hängt von den Umständen des konkreten Falls ab. Beispielsweise ist er bei Ratenzahlungen oft ausgeschlossen. Betrugsopfer, die Zahlungen in der Zeit 2004 bis 19.1.2017 (nicht später) über Western Union geleistet haben, bietet Western Union Erstattung an. Nähere Informationen finden Betroffene bei Western Union hier.
  3. Die Angebote der genannten Anbieter dieser tollen Vertriebsprodukte enthalten meist keine klaren Verträge. Belege muß man sich daher indirekt beschaffen, wenn man Geld zurückbekommen möchte. Man muß aber nicht kampflos aufgeben, wenn man taktisch und konsequent vorgeht. Die Zusagen dürften sinngemäß auf einen Handelsvertretervertrag im Sinne der §§ 84 folgende Handelsgesetzbuch hinauslaufen. Das Wort „Vertrag“ oder „Handelsvertreter“ nimmt der Speaker allerdings niemals in den Mund. Juristisches und „Papierkram“ wird von ihm vermieden. Dabei hat man als „Käufer“ eines solchen digitalen Vertriebsprodukts Anspruch auf eine Vertragsurkunde nach § 85 HGB. Will der Anbieter mit seinem Vertriebssystem weitermachen, wird er vielleicht auf Sie eingehen, wenn Sie so auf ihn Druck ausüben.
  4. An Strafanträge wegen gewerblichen Betrugs ist auch rechtzeitig zu denken. Sie sind bei Antragsdelikten innerhalb von 90 Tagen beim Staatsanwalt einzureichen, sonst verfolgen die Strafverfolgungsbehörden nur bei „öffentlichem Interesse“. Die Frist sollten Sie beachten. Strafanträge dürfen aber nicht leichtfertig gestellt werden, sonst droht am Ende eine Kostenpflicht des Anzeigenden nach § 469 Strafprozessordnung – StPO.
    Wenn Sie anwaltliche Beratung wünschen, kontaktieren Sie mich hier für einen Termin oder fordern Sie eine Online-Erstberatung an.

 

Von Stefanie Hagendorff - Rechtsanwältin und IT-Fachanwältin

Rechtsanwältin Hagendorff - Fachanwältin für IT-Recht und Datenschutzrecht mit Sitz in Friedberg bei Frankfurt/Main
Deutschland, Stefanie Hagendorff
https://www.it-fachanwaeltin.de/

5 Antworten auf „#Werbevideos und #Vertragsfallen“

Herzlichen Dank für die Info! Auf „Angbote“ die sich weder als Datei auf meiner Festplatte speichern noch ausdrucken lassen, gehe ich grundsätzlich nicht ein. Solche „Nachrichten“ landen bei mir direkt im Spam. – Allerdings hat es ein führender Telefonanbieter geschafft, mich bei einem „Telefonschwatz“ zu einem angeblich kostenlosen Upgrade meines Abonnements zu bewegen – ich sollte wenige Tage später eine „schriftliche“ Bestätigung erhalten. Die kam dann auch – per SMS mit Hinweis auf meinen „neuen Tarif“ (und ohne Nennung weiterer Einzelheiten). Ich widersprach – ebenfalls per SMS. Die nächste Rechnung allerdings berücksichtigte meinen Widerspruch nicht – noch nicht, wie man mir telefonisch versprach… Ich warte auf die nächste Rechnung und bereite mich auf ein geharnischtes Schreiben an die Geschäftsleitung sowie die Veröffentlichung meines Erlebnisses in den sozialen Medien vor…

Mit irgendwelchen Werbeanrufen und angeblich kostenlosen Testangeboten haben schon viele schlechte Erfahrungen gemacht. Man sollte am besten gar nicht drauf eingehen und gleich auflegen. Die nutzen nur die Freundlichkeit der Leute aus. Gerade muß ich mich auch mit einem Telefonanbieter rumärgern, der meinen Sohn angerufen hatte, um ihn einen Tarifwechsel aufzuschwatzen. Obwohl er ablehnte, kam die Tarifwechselgebühr mit der nächsten Rechnung: 224,98 Euro „Tarifwechselgebühr“. Unglaublich, was die sich leisten. Zwar wurde der Betrag auf Beschwerde mit der Folgerechnung „aus Kulanz“ wieder gutgeschrieben, aber angeblich war jetzt ein neuer Vertrag mit erneuter Laufzeitbindung 24 Monate geschlossen. Echt nervig, als hätte man sonst nichts zu tun. Vermutlich kein Einzelfall.

Ja, ich denke, es geht hauptsächlich um die Verlängerung der Vertragslaufzeit. Ich denke ernsthaft über den Wechsel eines Anbieters nach (womöglich gibt sich das nicht viel) – oder eben eine Prepaid-Karte (was ich mir zur beruflichen Nutzung eigentlich nicht erlauben kann..)

Rechtzeitig kündigen und wechseln, das scheint die einzige Sprache zu sein, die die Provider verstehen. Und daher wird man ja dann erst nach Ablauf der Kündigungsfrist für die gerade gültige Laufzeit angerufen. Da wird es wie ich finde auch noch sehr spannend mit dem Anspruch auf Datenübertragung beim Wechsel des Anbieters, den die ab 25.5.2018 gültige Datenschutz-Grundverordnung den Kunden an die Hand gibt. Siehe https://dsgvo-gesetz.de/art-20-dsgvo/

Ich müsste, wenn mich nicht alles täuscht, bereits im April kündigen und die neue Richtlinie gilt erst ab Mai… Wahrscheinlich würde der Provider ohnehin behaupten, dass das „technisch nicht machbar ist“. Wir werden sehen…

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