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#Rechtsirrtümer #Internetrecht: Disclaimer wie „Keine Abmahnung ohne vorherigen Kontakt“

Es ist leider ein häufiger Irrtum von gewerblichen Webseitenbetreibern und ihren Webdesignern, dass Disclaimer helfen, Abmahnungen zu vermeiden. Das Gegenteil ist mitunter der Fall. Unter dem Link „Disclaimer“ oder im Impressum werden mitunter Haftungsausschlussklauseln auf Webseiten untergebracht, die teilweise schlicht die Rechtslage belehrend darstellen oder noch schlimmer nachteilige Klauseln enthalten, also mehr schaden als helfen. Der Irrtum hierbei ist, dass diese potenzielle Abmahner animieren sollen, vorher anzurufen, ohne eine Beweissicherung zu tätigen und der Webseitenbetreiber dann die Rechtsverletzung beseitigt und eine Kostenerstattung für die Abmahnung verweigert. Das funktioniert nur, wenn der Abmahner sich nicht vorher anwaltlich beraten lässt für den Webseitenbetreiber, der den Abmahner in einem Recht verletzt. Es hilft also nicht, wenn der Abmahner vorher eine Beweissicherung macht, dann abmant und im Streitfall gerichtlich vorgeht, weil aus Sicht des Gerichts der Disclaimer dann den Schluss bedingten Vorsatzes aus dem Disclaimer zieht. Soweit Sie nur die Rechtslage darstellen, ist es unschädlich (wenn auch eher langweilig und eigentlich juristisch nutzlos), können Disclaimer im günstigsten Fall als nutzloser Balast bezeichnet werden. Soweit sie teilweise sogar falsch sind (z.B. die Rechtslage sich geändert hat oder durch aktuelle höchstrichterliche Entscheidungen überholt sind), ist es zwar nachvollziehbar, wenn ein Unternehmer eventuellen Störenfrieden sinngemäß mitteilen möchte, man solle doch bei einer (behaupteten) Rechtsverletzung keinen Anwalt einschalten, sondern erst mal sprechen…, damit der Verstoß entfernt wird. Aber im Streitfall können Sie schaden, weil Gerichte oft daraus schließen, dass ein solcher Disclaimer „Keine Abmahnung ohne vorherigen Kontakt“ oder ähnlich den verletzten Wettbewerber ggfs. von der nötigen Beweissicherung abhalten sollen und im Streitfall dem abmahnenden Wettbewerber oder auf Antrag damit befassten Richter zeigen, dass da jemand bösgläubig ist, weil er Rechtsverletzungen billigend in Kauf nimmt, anstatt sich zu bemühen, sich rechtskonform zu verhalten. Zudem verlangt das Recht ausdrücklich von einem Wettberber, der sich gegen eine ihn beeinträchtigende Rechtsverletzung seiner Konkurrenten zur Wehr setzen möchte, daß der andere vor einem Rechtsstreit abgemahnt wird, d.h. die Rüge sachlich und juristisch hinreichend konkret erklärt wird und ihm ein Weg gezeigt wird, wie und bis wann die Streitigkeit ohne Gericht gütlich beigelegt werden kann. Der Gesetzeswortlaut dazu lautet:

㤠12 UWG
Anspruchsdurchsetzung, Veröffentlichungsbefugnis, Streitwertminderung

(1) Die zur Geltendmachung eines Unterlassungsanspruchs Berechtigten sollen den Schuldner vor der Einleitung eines gerichtlichen Verfahrens abmahnen und ihm Gelegenheit geben, den Streit durch Abgabe einer mit einer angemessenen Vertragsstrafe bewehrten Unterlassungsverpflichtung beizulegen. Soweit die Abmahnung berechtigt ist, kann der Ersatz der erforderlichen Aufwendungen verlangt werden…..“

Es ist daher davon abzuraten Disclaimer wie den Folgenden oder Ähnliche zu verwenden wie dieser, die schlicht falsch und juristisch schädlich für den Webseitenbetreiber sind:

Keine Abmahnung ohne vorherigen Kontakt!
Sollte der Inhalt oder die Gestaltung einzelner Seiten oder Teile dieser Internetseite Rechte Dritter oder gesetzliche Bestimmungen verletzen oder anderweitig in irgendeiner Form wettbewerbsrechtliche Verstöße beinhalten, so bitte ich unter Berufung auf § 8 Abs. 4 UWG, um eine angemessene, ausführlich erläuternde und schnelle Nachricht ohne Kostennote.

Ich garantiere, dass die zu Recht beanstandete Seite oder Teile dieser Internetseite in angemessener Frist entfernt wird, bzw. den rechtlichen Vorgaben umfänglich angepasst wird, ohne dass von Ihrer Seite die Einschaltung eines Rechtsbeistandes erforderlich ist.

Die Einschaltung eines Anwaltes, zur für den Diensteanbieter kostenpflichtigen Abmahnung, entspricht nicht dessen wirklichen oder mutmaßlichen Willen und würde damit einen Verstoß gegen § 13 Abs. 5 UWG, wegen der Verfolgung sachfremder Ziele als beherrschendes Motiv der Verfahrenseinleitung, insbesondere einer Kostenerzielungsabsicht als eigentliche Triebfeder, sowie einen Verstoß gegen die Schadensminderungspflicht darstellen….“

Häufige Fragen dazu (FAQs):

  • „Warum gibt es solche Disclaimer trotzdem häufig?“ Antwort: Ohne keinen Kläger kein Richter, aber wer eine Abmahnung bekommt, der hat nach § 12 Abs. 1 S. 2 UWG bei einer berechtigten anwaltlichen Abmahnung in der Regel die (je nach Streitwert hohen) gesetzlichen Anwaltsgebühren des abmahnenden Auftraggebers zu tragen. Diese sind im Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (RVG) geregelt und betragen in solchen wettbewerblichen Angelegenheiten häufig über 1.000 €. Wenn der abgemahnte Webseitenbetreiber nicht fristgemäß reagiert, kommen häufig noch die Gerichts- und Anwaltskosten einer einstweiligen Verfügung dazu, d.h. einer gerichtlichen Anordnung, die im Eilverfahren in der Regel ohne Anhörung des abgemahnten Antragsgegners ergeht. Der Abgemahnte ist also auch dann, wenn die Abmahnung nicht berechtigt sein sollte, taktisch im Nachteil, da auch dann, wenn ein Widerspruch eingelegt wird, erst mal die einstweilige Verfügung nach Zustellung gültig ist und eingehalten werden muß und die Kostenrechnung des Gerichts binnen 2 Wochen bezahlt werden muss.
  • „Häufige Frage: Warum finde ich dazu keine Gerichtsentscheidungen: Antwort: Einstweilige Verfügungen ergehen in der Regel ohne Begründung. Es wird Ihnen meist nur der Antragsschriftsatz des Anwalts mit den Anlagen beigefügt, der die Begründung enthält und der versichert, dass vorher fruchtlos abgemahnt wurde. Solange die beantragte einstweilige Verfügung nicht Änderungen der Unterlassungsverpflichtungen enthält, ist das in Eilfällen ständige Praxis. (update 2021:)Nur bei Änderungen des Antrags im Vergleich zur vorherigen Abmahnung muss das Gericht nach aktuellen Bundesverfassungsgerichtsentscheidungen den Antragsgegner vorher anhören bzw. Gelegenheit zur Stellungnahme geben oder bei einer Ablehnung der Abmahnung mit Begründung diese Antwort zur Kenntnis nehmen.
  • „Häufige Frage: Die Abmahnung wurde mir aber nur per einfacher Post zugestellt. Kann ich nicht erst mal einfach die Webseite ändern und warten, ob die wegen der Anwaltskosten und der Unterlassungserklärung tatsächlich klagen?“
    Antwort: Nach ständiger Rechtssprechung muß für das Ziel, die Wiederholungsgefahr eines erneuten Verstoßes rechtsverbindlich zu beseitigen, die Abmahnung nur nachweislich abgesendet worden sein und muß der (vermeintliche oder tatsächliche) Rechtsverletzer, der abgemahnt wurde, Umstände beweisen, die den Richter glauben lassen, dass die Abmahnung nicht richtig angekommen ist. Beim Schadenersatz mag das anders sein, für die einstweilige Unterlassungsverfügung spielt es daher keine Rolle, wenn die Abmahnung nur telefonisch, per E-mail, per Fax oder einfacher Post kommt.
  • „Häufige Frage“: Sagen Anwälte sowas nicht nur deshalb, weil sie an Abmahnungen und Rechtsstreitigkeiten verdienen und der Disclaimer doch nur sagen will, wenn ich auf einen Verstoß hingewiesen werde, entferne ich ihn sofort?
    Antwort: Nein, sofern der Auftraggeber nicht lediglich aus sachfremden Gründen abmahnen läßt, sondern ernsthaft seine Rechte verfolgt, ist es legitim, wenn der Anwalt für die Rechtsverfolgung Sorge trägt, da dies aufwendig sein kann und der Anwalt hierfür seine Gebühren verdient, denn sonst müsste ja der Verletzte die Kosten tragen, anstatt der für die Rechtsverletzung verantwortliche. Dies wird im Streitfall auch von jedem Richter, der froh ist, wenn Anwälte den Rechtsstreit außergerichtlich erledigen, so bestätigt, weil es legitim ist, dass Rechtsanwälte für ihre Arbeit und das hart erarbeitete Know How bezahlt werden. Im Übrigen hat der Richter sich an das Gesetz zu halten. Nach der § 1 Bundesrechtsanwaltsordnung sind Rechtsanwälte unabhängige Organe der Rechtspflege. Solange keine Beweise dafür vorliegen, dass der Anwalt und sein Auftraggeber das Instrument der Abmahnung mißbrauchen, ist die Abwehr bei reinen Vermutungen eines Mißbrauchs daher häufig schwierig.

Fazit: Disclaimer oder sonstige rechtliche Texte auf der Webseite nicht vom Webdesigner erstellen lassen, sondern (in einfachen Fällen) anwaltlich geprüfte Generatoren verwenden oder anwaltlich prüfen lassen. Denn das Ziel hier rechtliche Kosten zu sparen, geht spätestens dann, wenn die Maßnahme einem Wettbewerber auffällt und spürb ar dadurch geschäftlich beeinträchtigt ist, geht das „nach hinten los“ und wird umso teurer. Denn der Webdesigner, erst recht, wenn es nur ein Familienangehöriger war, der bei der Erstellung der Webseite geholfen und den Disclaimer eingefügt hat, haftet in der Regel nicht dafür, da er für die Rechtsberatung nicht zuständig ist und der Unternehmer das hätte wissen müssen. Wer Disclaimer wie oben einfach von anderen verwendet, sollte sie daher lieber löschen (lassen). Im Übrigen passiert aber natürlich nichts, wenn die Webseite keinen Anlass zu Beanstandungen bietet oder kein Wettbewerber und kein sonstiger Abmahnbefugter sich daran ernsthaft stört, daher haben sogar auch große Unternehmen jahrelang solche Disclaimer verwendet, ohne dass es Ihnen geschadet hatte.