Aktuelle Urteile zu Online-Kursen und Coaching-Anbietern ohne ZFU-Zulassung
Online-Kurse können unter bestimmten Umständen zulassungspflichtig sein und sind in diesem Fall bei Fehlen der Zulassung der Zentralstelle für Fernunterricht (ZFU.de) nichtig, und zwar auch dann, wenn der Teilnehmer Unternehmer oder Existenzgründer ist. Neben anderen Stolperfallen, die ich hier nicht aufzählen kann, ist das eine und diese Ansicht setzt sich seit einiger Zeit bei den Gerichten durch. Einige Urteile, die in der E-Learning Branche seit Frühjahr 2023 für Unruhe gesorgt haben, wie u.a. Landgericht Hannover oder OLG Celle vom 1.3.2023 zeigen das. Dazu hatte ich bereits in diesem Blog berichtet. Auch das Landgericht Hamburg hat in 2023 mit Urteil vom 19.07.2023 Az. 304 O 277/22 entschieden, dass das Fernunterrichtsschutzgesetz (FernUSG) nicht nur Verbraucher als Teilnehmer schützt, sondern auch Selbständige, Existenzgründer und Unternehmer. So hat das Landgericht Hamburg eine Zahlungsklage des Online-Coaching-Kursanbieter Hook Consulting gegen einen Teilnehmer, der den Vertrag widerrufen hatte, abgewiesen und der Widerklage auf Erstattung der Teilzahlungen stattgegeben. Update 29.02.2024: Das vorgenannte Urteil wurde allerdings inzwischen mit Urteil vom 20.02.2024 durch das Oberlandesgericht Hamburg Az. 10 U 44/23 aufgehoben. Darauf gehe ich in Kürze näher ein in einem neuen Beitrag. Selbst wenn nach Ansicht des OLG Hamburg das „E-Commerce Mentoring“ von Hook Consulting in dem dort vorgetragenen Einzelfall nicht dem Fernunterrichtschutzgesetz unterliege (was im Falle eines individuellen Coachings oder jedenfalls überwiegend synchronem Fernunterricht ja zutreffend wäre), erscheint hier jedenfalls die Ablehnung weiterer in diesem Fall naheliegender Nichtigkeitsgründe nicht vollständig vom Gericht geprüft oder jedenfalls begründet worden. Insbesondere hat das Gericht festgestellt, dass ein Vertrag im Rahmen eines Telefonats mit einem Existenzgründer geschlossen wurde und dieser eine Ratenzahlungsvereinbarung beinhaltete. Demzufolge hätte das Gericht die Anwendung der besonderen Schutzvorschriften für Existenzgründer nach § 513 BGB, denen ein Anbieter zum Zwecke der Existenzgründung Waren und/oder Dienstleistungen mit einer Finanzierungshilfe gewährt, prüfen müssen und vorliegend die Nichtigkeit mangels Schriftform oder jedenfalls Widerruf des Vertrags bejahen müssen. Darauf ist das Gericht jedoch gar nicht eingegangen – aus unklaren Gründen. Außerdem wendet sich das Gericht in der Auslegung des FernUSG hinsichtlich der Voraussetzung „Lernerfolgskontrolle durch den Lehrenden“ gegen ein Urteil des Bundesgerichtshof aus 2009 zu einem Geldlehrgang, das den Umständen nach wegen der Erfolgsversprechen und Fragerechte an den Lehrenden für ihre individuellen Probleme mit dem Lernstoff an den Anbieter das FernUSG auf einen Online-„Geldlehrgang“ angewendet hatte.
Zulassungspflicht nach § 12 Fernunterrichtsschutzgesetz beachten
Der Anbieter hatte keine Zulassung der Zentralstelle für Fernunterricht nach § 12 FernUSG, obwohl laut Urteil I. Instanz die Online-Videos mehrheitlich nicht in einem virtuellen Direktunterricht z.B. Live-Calls, Chat-Support, Webinare, individuelle Coaching Beratung 1:1 oder in Kleingruppen angeboten wurden, sondern die Lerninhalte in Form von Videos und Dokumenten auf Abruf in einem zahlungspflichtigen Kundenbereich. Der Teilnehmer hatte wenige Tage nach Vertragsschluss im März 2023 den Vertrag widerrufen, aber auf die Wirksamkeit des Widerrufs kam es laut Landgericht Hamburg gar nicht an. Denn ohne die Zulassung der ZFU war laut Landgericht Hamburg der telefonisch geschlossene Vertrag nach § 7 FernUSG nichtig und konnte der Teilnehmer die Teilzahlungen zurückverlangen.
Volltext des Urteils mit Klageabweisung Landgericht Hamburg vom 19.07.2023
Auf die Entscheidung, die jedoch mit einem stark geänderten Sachverhalt nunmehr das Oberlandesgericht Hamburg aufgehoben hat, hatte die Media Kanzlei aus Frankfurt am Main hingewiesen. Das Urteil Landgericht Hamburg, Urteil vom 19.07.2023 – Az. 304 O 277/22 – ist mit dem Tatbestand und den Entscheidungsgründen im Volltext abrufbar unter:
https://www.landesrecht-hamburg.de/bsha/document/JURE230056830/part/L
Wie gesagt, ist inzwischen am 20.02.2024 das Urteil des Landgerichts vom OLG Hamburg aufgehoben worden. Auch dieses Urteil ist noch nicht rechtskräftig. Zum Inhalt des OLG-Urteils des OLG-Hamburg_geschwaerzt-Urteil-vom-20-02-2024-304-O-277-22-E-Commerce-Mentoring-von-HC und meine kritischen Anmerkungen dazu in einem neuen Beitrag hier in kürze (es bleibt spannend). Dazu näher in Kürze in einem neuen Blogbeitrag hier.
Update 16.09.2023: Inzwischen haben dieser und weitere Anbieter ihre Angebote angepasst, aber dazu berichte ich in einem anderen Beitrag, weil die Verträge dadurch trotzdem mitunter immer noch unwirksam sind. Auch im Fall von Hook Consulting gibt es zwar inzwischen ein abweichendes Urteil des Landgericht Ravensburg vom 11.07.2023 Az. 5 O 25/23 (update: dazu ist beim OLG Stuttgart ein Berufungsverfahren anhängig und ich schätze, das Urteil wird der Senat aufheben). Der Teilnehmer kam im Fall des Landgerichts Teilnehmer nicht aus dem Vertrag heraus, obwohl er kurz nach dem Vertragsschluss (dort signiert mit Docusign während des Telefonats mit Bastian Hook) den Widerruf des Vertrages erklärt hatte. Das Urteil ist aber meines Erachtens aus mehreren anderen Gründen im Ergebnis falsch. (Spoiler: Da ich dort allerdings nicht Prozessbevollmächtigte des Teilnehmers war/bin und die Berufungsbegründung nicht kenne, kann ich nur die Urteilsgründe auswerten und werde dazu eine Anmerkung schreiben, warum der Vertrag nichtig sein dürfte; der Rechtsstreit ist nach meinen Informationen im Berufungsverfahren – das OLG Stuttgart müsste nach meiner Einschätzung das Urteil wahrscheinlich aufheben und der Teilnehmer sein Geld zurückerhalten.)
Update zu einem Schreiben der ZFU und meine Hinweise für die Praxis
UPDATE 22.08.2023: Herr Sebastian Knoll alias Bastian Hook hat mir per E-mail mitgeteilt, dass er Rechtsmittel einlegt und inzwischen die ZFU ihm mit Schreiben vom 17.08.2023 (adressiert an Hook Consulting E-Commerce EG aus Berlin) bestätigt habe, dass das Bildungsangebot „E-Commerce Masterclass Coaching…..nach Prüfung der von ihm…eingereichten Unterlagen….wegen Fehlens des Merkmals der überwiegenden räumlichen Trennung gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 1 Fernunterrichtsschutzgesetz (FernUSG) nicht unter den Anwendungsbereich des FernUSG„… falle. Eine Zulassung gemäß § 12 Abs. 1 FernUSG ist (laut ZFU) somit nicht erforderlich. Nähere Details sind mir dazu nicht bekannt, denn es ist ja gerade ein Unterschied, was er der Behörde zur Prüfung eingereicht hat und was er dem Teilnehmer bei Vertragsschluss zusichert bzw. in Textform bestätigt. Letzteres erfolgt laut AGB eben nicht, denn es heißt in § 2 der AGB, dass der Vertrag (auch) fernmündlich zustande kommt und in Absatz 3, dass der Teilnehmer auf eine separate Auftragsbestätigung keinen Anspruch habe. Es wird also Wert darauf gelegt, die fernmündlichen Zusagen dem Teilnehmer nicht schriftlich oder wenigstens per Email zu bestätigen.
Ich gehe daher weiterhin von einem Warnbedürfnis wegen Gefahr einer Vertragsfalle aus, das ausnahmsweise die namentliche Nennung im wettbewerblichen Kontext rechtfertigt und verweise hierzu beispielhaft auf das Urteil des Bundesgerichtshofs (BGH, Urteil vom 06.05.2021, Az. I ZR 167/20 – Vorsicht Falle).
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