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#DSGVO-Beschwerde und #Schadenersatzdurchsetzung: hier Durchsetzung bei Datenpanne ist für Verletzte schwierig

Datenpannen passieren häufig im Ausland und zuständige federführende Aufsichtsbehörden nach der DSGVO sind oft ebenfalls nicht in Deutschland. Betroffene, die Auskunfts- und Schadenersatzansprüche gegen den Verantwortlichen und/oder Auftragsverarbeiter nach Art. 82 DSGVO durchsetzen wollen, bzw. Unternehmen, die nach einer solchen Panne sich fragen, was sie konkret mitteilen müssen, haben derzeit daher an 2 Fronten zu kämpfen. Einmal bei den Zivilgerichten, die die Auskunfts-, Darlegungs- und Beweisgrundsätze bisher nicht einheitlich und zum Teil entgegen Art. 82 DSGVO und den nach Erwägungsgrund 146 DSGVO zu beachtenden Effektivitätsgrundsätzen restriktiv auslegen. So hat das Landgericht Frankfurt, und zwar einmal die 27. Zivilkammer mit Urteil Landgericht Frankfurt/Main Az. 2-27 O 100/20 und in einem Parallelfall eines anderen Klägers nunmehr erneut die 30. Zivilkammer mit etwas anderem Tatbestand mit Urteil vom 18.01.2021 20210118_anonym.LG Ffm Urteil 18.01.2021 15+82 DSGVO_Geschwärzt eine Auskunfts- und Schadenersatzklage gegen die in Belgien sitzende Mastercard Europe SA im Zusammenhang mit dem Databreach aus August 2019 im Rahmen des Mastercard Priceless Specials Germany Bonusprogramms abgewiesen (nicht rechtskräftig). Der Kläger wird in die Berufung gehen. Update 6.2.2021 Letzter Stand der Klägerseite hier: Tatbestandsberichtigungsantrag ist fristgemäß gestellt, weil es hier offensichtliche Unrichtigkeiten im Tatbestand gibt. Den Auskunftsantrag (Mastercard hat verspätet und unvollständig beauskunftet und will die konkreten Serviceprovider nicht angeben, bzw. hat erst in der Klageerwiderung die Namen „Brain Behind Ltd und Brain Behind GmbH“ vorgetragen, wobei unklar blieb, bei wem genau das unsichere Administratorpasswort den unbefugten Zugriff auf die Systeme der „BB“ 2019 ermöglicht hat. Ferner ist es so, dass es eine „Brain Behind GmbH“ ausweislich des Handelsregisters weder in Deutschland und ebenso auch nicht in Österreich gibt, wie man dem amtlichen firmenbuch.at entnehmen kann). Der Streitfrage ging das Gericht damit überraschend aus dem Weg, indem es im Urteil plötzlich meinte, es sei nicht ersichtlich, wieso die GmbH nicht identifizierbar sei und eine Pflichtverletzung von Mastercard sei „nicht indiziert.“ Der Kläger hatte vorgetragen, dass diese Angaben unklar sind und deshalb in der mündlichen Verhandlung den Auskunftsantrag nicht für erledigt erklärt. Die Beklagte hatte sich auch gar nicht damit verteidigt, das sei erledigt, denn man müsse diese nicht konkret angeben. Damit war diese rechtliche Streitfrage an sich zu entscheiden, die in der Praxis auch hoch relevant ist, ob – jedenfalls nach einer Datenpanne – nach Art. 12, 15 Abs. 1 lit.c DSGVO der Serviceprovider, der als Auftragsverarbeiter und damit „Empfänger“ der Kundendaten involviert war, konkret zu benennen ist. Mit vagen Angaben wie hier, kann ein geschädigter Betroffener nichts anfangen, daher (so auch die herrschende Meinung in der für das Gericht natürlich zitierten Kommentarliteratur mit allen Argumenten) konkret anzugeben, jedenfalls spätestens nach einer Datenpanne und ausdrücklicher DSGVO-Auskunftsanfrage des betroffenen Kunden. Mal sehen, ob das Gericht die offenbaren Unrichtigkeiten nun auf Antrag im Tatbestand berichtigen wird, damit in der II. Instanz das Gericht wenigstens den Sachverhalt richtig versteht, über den es zu befinden haben wird….Puh.

Die andere Baustelle ist die Erlangung von näheren Informationen und Akteneinsichten bei den Aufsichtsbehörden, die für die Beschwerde- und Bussgeldverfahren nach einer Datenpanne zuständig sind. Auszug aus meiner Korrespondenz mit dem HBDI (Hessischer Beauftragter für Datenschutz und Informationsfreiheit):
UPDATE VOM 09.02.2021: Nun liegt eine neue Antwort des HBDI vor:

Sehr geehrte Frau Rechtsanwältin Hagendorff,

die belgischen Kollegen haben mir mitgeteilt, dass die Untersuchungen noch andauern und die Daten zum Verfahren derzeit nach belgischem Recht vertraulich sind. Entsprechend wurde auch mir keine weitere Auskunft erteilt und so kann ich Ihnen auch keine weiteren Informationen zur Verfügung stellen.

Mit freundlichen Grüßen
Im Auftrag

……….
—–Meine E-mail an das HBDI in einem Beschwerdeverfahren einer Klientin gegen Mastercard Europe SA:
Sehr geehrter Herr……,
danke für Ihre E-mail vom 20.10.2020 zum Akteneinsichtsgesuch …und ich habe die Angelegenheit inzwischen nochmals geprüft.

Wenn die Akte zum Beschwerdeverfahren zu o.g. Az. nur meine Eingaben enthält, wird auf die Akteneinsicht selbstverständlich verzichtet.
Aber ich möchte Sie bitten, gemäß Art. 77 Abs. 2 DSGVO i.V.m. § 19 Abs. 2 S.3 BDSG uns den Informationsstand und das Ergebnis oder hilfsweise das Zwischenergebnis des Beschwerdeverfahrens bei der federführenden Aufsichtsbehörde in Belgien mitzuteilen. Nach § 19 Abs. 2 S. 3 BDSG soll dann, wenn wie hier die Verantwortliche in Deutschland keinen Sitz und keine Niederlassung hat, die Aufsichtsbehörde hier als empfangende Behörde dem Beschwerdeführer über das Ergebnis des Verfahrens informieren, d.h. soweit das Verfahren abgeschlossen ist, den Beschluss der Belgischen Aufsichtsbehörde mitteilen oder falls es noch nicht abgeschlossen ist, zumindest den Zwischenstand über die Erkenntnisse, die zur Datenpanne geführt haben.

Nach § 19 Abs. 2 Satz 3 BDSG weist der deutsche Gesetzgeber die nach der DSGVO zugewiesenen Aufgaben der Aufsichtsbehörde, bei der die Beschwerde eingereicht wurde, kraft Gesetzes der „empfangenden Aufsichtsbehörde“ zu. Das bedeutet, dass die Zuständigkeiten gebündelt werden, damit die Aufsichtsbehörde den Verletzten nicht an ausländische Aufsichtsbehörden verweisen kann. [Vermerk: Ausserdem ist sie zur Kooperation und Weiterleitung einer Beschwerde an die federführende Aufsichtsbehörde in der EU verpflichtet, At. 60ff DSGVO]. Damit verleiht das BDSG dem Grundgedanke der DSGVO, dass der Betroffene bei der Aufsichtsbehörde seiner Wahl in Deutschland Beschwerde einlegen kann, damit er nicht auf eine Aufsichtsbehörde im Ausland verwiesen werden kann, ihre Wirkung (vgl. sinngemäß so auch Hellmich in Taeger/Gabel, DSGVO.BDSG, 3. Auflage, Rn. 7 zu BDSG § 19 m.w.N.). Das bedeutet, dass das HBDI vorliegend die Kommunikationsaufgaben, sprich Information über das Ergebnis des Verfahrens oder bei überlanger Dauer wie hier zumindest den Stand und Zwischenergebnis des Verfahrens zu unterrichten hat. Wäre der Betroffene auf die Durchsetzung von Informations- und Akteneinsichtsersuchen bei der ausländischen federführenden Behörde angewiesen, würde dies dem Grundgedanken der DSGVO widersprechen, die aus Gründen der Fairness und des europarechtlichen Grundgedankens des effet utile die praktische Durchsetzung seiner Informations- und Abwehrrechte gegen unrechtmäßige Verarbeitungen überhaupt erst ermöglichen sollen. Dies ist gerade bei grenzüberschreitenden Datenverarbeitungen, die hier auch die Kreditkartenumsätze umfassen, die zweckentsprechend zum Gutschreiben der Coins im Bonusprogramm automatisch abgeglichen und somit miteinander vernetzt gewesen sein dürften, nur praktisch möglich, wenn § 19 Abs. 2 S. 3 BDSG wie vom Gesetzgeber beabsichtigt, dem Betroffenen die deutsche Aufsichtsbehörde sichert, auch wenn federführend eine ausländische Aufsichtsbehörde zuständig ist nach den Art. 60ff DSGVO.

Nach nochmaliger Prüfung der Sach- und Rechtslage ist es demnach nicht statthaft, die Beschwerdeführerin auf die ausländische federführende Aufsichtsbehörde vorliegend zu verweisen oder bis zum rechtskräftigen Abschluss etwaiger Zivilklagen mit dem Bericht das Verfahren auszusetzen.

Wie dargelegt, besteht der Verdacht, dass Mastercard Europe SA oder deren Auftragsverarbeiter die Datenpanne durch unzureichende Datensicherheitsmassnahmen nach Art. 32 DSGVO z.B. durch ein unsicheres Administratorpasswort eines Auftragsverarbeiters, das höchstwahrscheinlich entdeckt worden wäre, wenn die nach der PCI-DSS v3.2.4 abrufbar in Deutsch und in Englischer Sprache unter https://www.pcisecuritystandards.org/document_library auf S. 128 vorgeschriebenen Penetrationstests alle 6 Monate durchgeführt worden wären.
Auf S. 128 der vorgenannten Payment Card Informationsystem Data Security Standards heisst es unter 11.2.4.1. „Additional requirement for service providers only: If segmentation is used, confirm PCI DSS scope by performing penetration testing on segmentation controls at least every six months and after any changes to segmentation controls/methods.“
Diese Vorgabe ist nach meinen Informationen seit Februar 2018 in Kraft und die Einhaltung der PCI-DSS waren hier wegen der Vernetzung mit dem Zahlungssystem zwischen Mastercard und Brain Behind auch vereinbart.

Mastercard hat keine Auskunft über die genauen Empfänger der Brain Behind Gruppe erteilt (also wer genau wo aus der Gruppe die Kundendaten für das Bonusprogramm verarbeitet hat), sodass Name und Anschrift des Auftragsverarbeiters, bei dem die Datenabfluss stattgefunden hat z.B. wegen unzureichender Schutzmassnahmen und Penetrationstests hier nicht vorliegen. Handelt es sich um die aus dem Imprint von brain-behind.com veröffentlichte Brain Behind Ltd?
Die Anschrift dort ist laut Impressum (Inprint):
Brain Behind Ltd.
30 Moorgate
London, EC2R 6PJ, United Kingdom
xxxxxxxxxx
Phone: +44xxxxx

Ist es korrekt, dass dort ein unsicheres Administratorpasswort den Zugriff auf die geleakten Kundendaten aus dem Mastercard Priceless Specials Databreach in 2019 durch unbekannte Dritte ermöglicht haben?
Dies müsste doch unzureichende Datensicherheitsmassnahmen indizieren, weil für das Bonusprogramm laut unseren Informationen zwischen Mastercard Inc oder Mastercard Europe SA für das Mastercard Priceless Specials die Einhaltung der Sicherheitsmassnahmen nach den Vorgaben der PCI-DSS vereinbart war. Letztere sehen alle 6 Monate Penetrationstests vor.

Die fehlende Auskunft über den Empfänger entgegen Art. 15 Abs. 1 c DSGVO dürfte ebenfalls ein Verstoß beinhalten, denn Mastercard hat dazu keine Auskünfte erteilt, weder in der Datenschutzerklärung noch in der Meldung zur Datenpanne noch nachdem sie zur Auskunft aufgefordert wurde und hat Ende 2019 nur pauschal auf die Datenschutzerklärung verwiesen und ein Verschulden zurückgewiesen. Mit vagen Auskünften, es seien die Daten in Grossbritannien von einem Auftragsverabeiter verarbeitet worden, kann der Verletzte nichts anfangen. Der Begriff des Schadens [und die Auskunftsansprüche des Betroffenen nach den 12ff. DSGVO) sollte im Lichte der Rechtsprechung des Gerichtshofs weit auf eine Art und Weise ausgelegt werden, die den Zielen dieser Verordnung in vollem Umfang entspricht.

Der Beschwerdeführerin ist auch ein immaterieller und ein materieller Schaden i.S. von Art. 82 Abs. 1 DSGVO entstanden. Der Begriff des Schadens sollte im Lichte der Rechtsprechung des Gerichtshofs weit auf eine Art und Weise ausgelegt werden, die den Zielen dieser Verordnung in vollem Umfang entspricht (ErwG 146 S.3 DSGVO). Zum Schaden gehört im Lichte der Grundfreiheiten auch der Kontrollverlust, der entsteht, wenn bei einer Datenpanne nicht der Verletzte informiert wird, wie es zu der Datenpanne kam und bei wem die Daten, insbesondere Empfänger/Auftragsverarbeiter der Verantwortliche die Kundendaten hat verarbeiten lassen. Der Betroffene (Verletzte i.S. der DSGVO) hat sonst nicht die Möglichkeit, ggfs. auch gegenüber dem Auftragsverarbeiter mangels Namen und Anschrift seine Rechte geltend zu machen, z.B. eine Streitverkündung im Zivilrechtsstreit zu ermöglichen oder Auskunftsansprüche nach Art. 15 DSGVO geltend zu machen. Nach überwiegender Auffassung der Kommentarliteratur muss sinnvollerweise also der Auftragsverarbeiter konkret nach einer Datenpanne benannt werden, identifizierbar und das hat Mastercard gegenüber der Beschwerdeführerin nicht getan. Es ist auch nicht eindeutig anhand Ihrer Auskünfte ersichtlich bisher. Die Mastercard Priceless Specials Germany Bonusprogramm hinterlegte Mastercard Kreditkarte von xxxxx xxx wurde wie in der Beschwerde dargelegt von ihrem Kreditinstitut aus Anlass der streitgegenständlichen Datenpanne vorsorglich im September 2019 gesperrt und ausgewechselt. Auch der Kontrollverlust bei einer unbefugten Weitergabe oder wie hier sogar Veröffentlichung durch anonyme Dritte ist ein Schaden [Vermerk: 85 S.2 ErwG: Die Menschen sollten die Kontrolle über ihre Daten besitzen und sich effektiv gegen unrechtmäßige Datenverarbeitung schützen können vgl. ErwG 7 der DSGVO.] Hier ist der Verdacht begründet, dass neben den Kontaktdaten auch die Kreditkartenumsätze geleakt worden waren, die eine Profilbildung ermöglichen. Zudem konnte sie infolge der Kreditkartenauswechselung zwar einer möglicherweise drohenden Kreditkartenbetrug verhindern, aber wegen des inzwischen gesperrten Portals keine weiteren Coins mit der neuen
Kreditkarte sammeln, weil die neue Mastercard nunmehr nicht mehr auf der gesperrten Seite des Mastercard Priceless Specials Programms hinterlegt werden konnte.

Bitte erteilen Sie bitte daher nunmehr die Auskünfte über das Ergebnis oder zumindest Zwischenstand der Ermittlungen, wer und was zu der Datenpanne geführt hat. Rein vorsorglich rüge ich nochmals auch nach § 46 OwiG i.v.m. § 198 GVG, dass ansonsten der Beschwerdeführerin ein weiterer Schaden entsteht, wenn sie gegenüber Mastercard und Brain Behind mangels ausreichender Auskünfte nicht ihre Rechte auf Schadenersatz auf dem Zivilrechtswege durchsetzen kann.
Wegen der Vielzahl der Betroffenen und Beschwerden dürfte es hier auch nicht unverhältnismäßig sein, wenn das HBDI diese Auskunft den Betroffenen Beschwerdeführern erteilt.
Würde Mastercard sich mit pauschalen Schutzbehauptungen bei einer Datenpanne wie geschehen wehren können, ohne transparente Informationen über das Ergebnis der Ermittlungen zur Datenpanne zu leisten gegenüber den geschädigten Kunden, dann hätte das verheerende Signalwirkung.

Freundliche Grüße

Stefanie Hagendorff
Rechtsanwältin

Am Straßbach 2
(Eingang Pfingstweide)
D-61169 Friedberg (Hessen)

Am 20.10.2020 um 08:41 schrieb x@datenschutz.hessen.de:
> Sehr geehrte Frau Rechtsanwältin Hagendorff,
>
> zu der Beschwerde von xxx sind in der Akte lediglich Ihr Beschwerdeschreiben vom 20.12.2019, Ihre weitere Email vom 23.07.2020 und meine Antwort vom 28.07.2020 enthalten. Der Akteninhalt liegt Ihnen daher vollständig vor. Sollten Sie dennoch ihren Antrag auf Akteneinsicht aufrechterhalten, bitte ich um einen Hinweis.
>
> Mit freundlichen Grüßen
> Im Auftrag ….
> ——————————————————————————–
> Der Hessische Beauftragte für Datenschutz und Informationsfreiheit
> Gustav-Stresemann-Ring 1
> 65189 Wiesbaden
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BGH-Mitteilung vom 01.07.2014 zu #Bewertungsportalen: Portalbetreiber darf Daten von Nutzern nur an Strafverfolgungsbehörde herausgeben

Laut Pressemitteilung des Bundesgerichtshofs (BGH Urteil vom 01.07.2014 – Az. VI ZR 345/13)  hat der Senat heute zugunsten eines Bewertungsportals und gegen den klagenden Arzt entschieden, dass ein Portalbetreiber bei Streit über negativer Bewertung in Form von  Schmähkritik oder auch bei strittigen negativen Tatsachenbehauptungen eines Nutzers nur gegenüber ermittelnden Strafverfolgungsbehörden Name, Anschrift oder sonstige persönliche Daten des Nutzers herausgeben darf, nicht aber dem geschädigten Arzt, der möglicherweise durch unwahre Behauptungen und Schmähkritik verletzt wird. Dieser kann nur die Unterlassung der weiteren Veröffentlichungen unter bestimmten Voraussetzungen durchsetzen und Strafanzeige erstatten und dann je nach Ergebnis der Ermittlungen später gegen den Urheber der negativen Äußerungen vorgehen.

Nach dem für Auskunftsersuchen gegenüber Privaten Dritten bei Online-Dienstleistern einschlägigen § 12 Telemediengesetz (TMG) sei hierfür eine gesetzliche Erlaubnisvorschrift erforderlich und diese habe der Gesetzgeber bewußt nicht geschaffen, um die anonyme Nutzung von Online-Diensten und den Meinungsaustausch der Nutzer zu schützen. Betroffene von negativen Bewertungen müssen also bei Vorliegen einer Verunflimpfung oder übler Nachrede Strafanzeige erstatten und können nur vom Portalbetreiber verlangen, dass er die weitere Veröffentlichung des streitigen negativen Beitrags unterläßt. Geben die Umstände Anlass für den Verdacht einer Straftat, ermitteln die zuständigen Strafverfolgungsbehörden, denen die Portalbetreiber ggfs. die Daten des Nutzers übermitteln müssen.

Die Verteidigung des guten Rufs und die Durchsetzung von Schadenersatzansprüchen gegen Urheber von falschen oder ungerechtfertigten negativen Bewertungen bleibt also ein aufwendiges Unterfangen.

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Bundesverfassungsgericht hebt OLG-Urteil wegen Filesharing auf

Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) hat erfreulicherweise einer Verfassungsbeschwerde eines Polizisten stattgegeben, der vom Landgericht Köln auf Zahlung von 3.500 € Anwaltskosten an eine Abmahnkanzlei wegen illegaler Musikdownloads in einer Tauschbörse verurteilt worden war. Das Landgericht und auch das Oberlandesgericht hatten entschieden, daß der Polizist als sog. Störer hafte, weil er für die Taten des volljährigen Sohnes seiner Lebensgefährtin als Internetanschlußinhaber verantwortlich sei. Das OLG Köln verweigerte die Zulassung des Rechtsmittel zum Bundesgerichtshof. Obwohl damit der Rechtsweg erschöpft war, hatte das OLG keine Begründung geliefert und dies war hier – so das BVerfG – offensichtlich verfassungswidrig, da diese Haftungsfrage für viele Leute klärungsbedürftig ist und die Obersten Landesgerichte in Frankfurt und Köln unterschiedliche Auffassungen zu diesem Fragenkreis vertreten. Denn es ist hoch umstritten, wie weit die Haftungsgefahr für Anschlußinhaber reicht, wenn Angehörige unbefugt Urheberrechtsverletzungen über den Familenanschluß begehen.  Zitat BVerfG, Beschluß vom 21.03.2012 – 1 BvR 2365/11-:

„Die Begründungsobliegenheit folgt in dieser Konstellation aus Art. 19 Abs. 4 GG …“[Anm.: das ist das Gebot des effektiven Rechtsschutzes, das sich aus dem Rechtsstaatsprinzip ergibt] „sowie aus Art. 101 Abs.1 Satz 2 GG“ [Anm.: das ist das Willkürverbot]. „Denn ein Berufungsgericht, das die Revision nicht zulässt, entscheidet, falls die Nichtzulassungsbeschwerde nicht eröffnet ist, unanfechtbar über die Erreichbarkeit von höherinstanzlichem Rechtsschutz im konkreten Fall. Unterlässt das Fachgericht eine nachvollziehbare Begründung seiner Nichtzulassungsentscheidung darf das Bundesverfassungsgericht aufheben, wenn eine Zulassung des Rechtsmittels nahegelegen hätte.“

Da der Bundesgerichtshof über die umstrittene Frage, wie weit die Handlungs- und Prüfpflichten bei Urheberrechtsverletzungen Dritter, die als Angehörige grundsätzlich befugt sind, den Anschluß zu benutzen, und hierbei heimlich illegales Filesharing betreiben, noch gar nicht durch den Bundesgerichtshof entschieden wurde und diese für Tausende von Betroffenen eine klärungsbedürftige Frage ist, war die Nichtzulassung der Revision gar nicht nachvollziehbar. Die Sache hat offensichtlich grundsätzliche Bedeutung.
Volltext der Entscheidung: http://www.bverfg.de/entscheidungen/rk20120321_1bvr236511.html