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#Filesharing: Neue Urteile zu Anforderungen an das Verteidigungsvorbringen des Beklagten

Wenn ein Anschlussinhaber eine Abmahnung oder gar Klage wegen Unterlassung und/oder Schadenersatz wegen illegalem Filesharing erhält, trifft es oft nicht denjenigen, der das jeweilige Werk in einer Tauschbörse heruntergeladen und damit unerlaubt veröffentlicht hat. Nun sind wieder in aktuellen Entscheidungen die z.T. sehr unterschiedlichen Anforderungen deutlich geworden, die Richter an einen erfolgreichen Verteidigungsvortrag stellen. Nach der Rechtsprechung des BGH ist die täterschaftliche Vermutung gegen den Anschlussinhaber erschüttert, wenn der Beklagte darlegen und beweisen kann, dass die ernsthafte Möglichkeit besteht, dass ein anderer den Anschluss zur Tatzeit genutzt hat und die streitgegenständliche Urheberrechtsverletzung heimlich begangen hat (vgl. BGH GUR 2014, 657 – BearShare). Dabei ist der Anschlussinhaber im Rahmen des Zumutbaren zu Nachforschungen verpflichtet, wenn er über eine Abmahnung Kenntnis erhält, dass eine solche Urheberrechtsverletzung zu einem bestimmten Zeitpunkt über seinen Anschluss ermittelt wurde (BGH – Bearshare)

In einem Münchener Fall hat ein Familienvater sich nach Ansicht der Richter nicht ausreichend detailliert in der 1. Instanz dazu eingelassen, wer konkret Täter gewesen sei, da auch die Familienmitglieder nach dem Vortrag des Vaters die Tat nicht begangen haben. Auch als dann in der Berufung vor dem Landgericht München der Vortrag zu dem inzwischen dann 5 Jahre zurückliegenden Tatzeitpunkt detailreicher wurde, reichte das dem Landgericht nicht und wies das Gericht die Berufung nach einem Bericht von Waldorf Frommer Rechtsanwälte zurück. Den Volltext des Urteils des Landgericht München I Az. 21 S 19026/14 hat die Kanzlei Waldorf Frommer nun natürlich veröffentlicht, da diese Rechtssprechung ihrem Abmahngeschäft in diesem Bereich zugute kommt. Die Entscheidung kritisiert aber Rechtsanwalt Petrings als eine fehlerhafte Überspannung der Anforderungen an die Darlegungslast des Beklagten, die ja wie der BGH richtigerweise betont hatte, sich im Rahmen des zumubaren halten muss. Es ist zudem unlogisch, wenn zunächst in der ersten Instanz angeblich der Beklagte nicht hinreichend substantiiert genug erklärt hat, welche Nachforschungen der Beklagte konkret nach Erhalt der Abmahnung angestrengt hat und mit welchem Ergebnis und dann bei sehr detailreichen Ergänzungen in der 2. Instanz das nun als unglaubwürdig abgetan wird. Es überspannt den vom BGH zu Recht gesetzten Rahmen des Zumutbaren und führt dann praktisch zu einer Beweislastumkehr.

Auch vor dem AG Frankfurt (Az. 32 C 1672/14 (84) hat nach einem Bericht des dortigen Prozessbevollmächtigten RA Solmecke zunächst der Beklagte verloren, obwohl er darlegen konnte, dass in der Zeit im Jahre 2009, in der die Tat begangen wurde, mehrere Familienmitglieder den Anschluss mitnutzten, darunter neben seiner Ehefrau zwei 19 Jahre alte Söhne und ein 12-jähriges Kind, das aber vor Überlassung des Computers eingehend darüber belehrt worden war, dass keine Filme, Musik oder Computerspiele in einer Tauschbörse heruntergeladen werden dürften. Es sei verboten, da dies regelmäßig ohne Zustimmung der Rechteinhaber dort angeboten werde. Begründet hat das Amtsgericht seine Verurteilung des Vaters zum Schadenersatz damit, dass der Beklagte in einer persönlichen informatorischen Anhörung versichert habe, dass auch die Kinder in keiner Tauschbörse gewesen seien. Damit sei die Möglichkeit, dass nicht er sondern eines der Kinder Täter gewesen seien, gar nicht gegeben. Die täterschaftliche Vermutung sei daher gar nicht erfolgreich von ihm erschüttert worden.

Die Entscheidung hob das Landgericht Frankfurt mit Urteil vom 13.08.2015 (Az. 2-03 S 5/15 Volltext via wbs-law.de) nunmehr auf und wies darauf hin, dass hier das Amtsgericht überhöhte Anforderungen an die Darlegungslast des Beklagten gestellt hatte. Die täterschaftliche Vermutung sei erschüttert, weil der Vortrag ergibt, dass ernsthaft die Möglichkeit sich ergibt, dass ein anderes Familienmitglied heimlich die Tat begangen hat. Die Klägerin ist also für seine Täterschaft beweisfällig geblieben.

Wäre es so, dass die täterschaftliche Vermutung erst dann erschüttert wäre, wenn der Beklagte einen anderen Nutzer als Täter benennt, würde dies auf eine Beweislastumkehr hinauslaufen, da es dem Beklagten nicht unbedingt möglich ist, dies aufzuklären, soweit nicht ein Familienmitglied die Tat einräumt. Das Landgericht Frankfurt (Urteil vom 13.08.2015 Az. 2-03 S 5/15) führt dazu u.a. aus:

„…Den Äußerungen des Beklagten kann nicht entnommen werden, dass niemand seiner Familienmitglieder als Täter in Betracht kommt. Vielmehr hatten zumindest drei Familienmitglieder – außer dem Beklagten – Zugriff auf den streitgegenständlichen Internetanschluss. Die Ehefrau des Beklagten und der Sohn …. haben von ihrem Zeugnisverweigerungsrecht Gebrauch gemacht. Die Behauptungen der Klägerin gemäß Beweisbeschluss des Amtsgerichts vom 16.10.2014 (Bl. 112 d.A.) sind durch die Anhörung des Beklagten und der Vernehmung des Zeugen …. nicht bestätigt worden…..

Der Beklagte hat auch ausreichende Nachforschungen angestellt, nachdem ihm die Abmahnung der Klägerin vom 31.05.2010 erst über fünf Monate nach dem angeblichen Tatzeitpunkt zugegangen war. Zu weitergehenden Nachforschungen war er nicht verpflichtet.

Der BGH hat im „BearShare“-Urteil (GRUR 2014, 657) deutlich dargestellt, welche Anforderungen an die sekundäre Darlegungslast zu stellen sind: Der Anspruchsgegner muss lediglich die Möglichkeit darlegen, dass ein Dritter die Rechtsverletzung begangen hat und „in diesem Umfang“ Nachforschungen anstellen. Es obliegt ihm daher die Nachforschung (und entsprechender Vortrag) ausschließlich zur Klärung, ob Dritte die streitgegenständliche Rechtsverletzung begangen haben (vgl. auch OLG Hamburg, Beschluss v. 02.02.2015 – 5 W 47/13). Dem ist der Beklagte hier nachgekommen. Damit lag die volle Beweislast der Täterschaft des Beklagten bei der Klägerin. Diesen Beweis hat die Klägerin nicht geführt…..“

Auch eine Haftung wegen der Verletzung von Prüfpflichten sah das Landgericht nicht als begründet an. Das minderjährige Kind hatte der Beklagte darüber belehrt, dass keine Filme in einer Internettauschbörse im Wege des Filesharing heruntergeladen werden dürfen und daher schied eine Haftung nach § 832 BGB aus. Auch die Absicherung des WLANS mit einer WPA2-Verschlüsselung war pflichtgemäß. Insoweit hat sich bereits in früheren Entscheidung die Erkenntnis durchgesetzt, dass aufgrund der technischen Entwicklung das vom Hersteller voreingestelle, aber zufällig gewählte Router-Passwort mit 16 Stellen – gemischt aus Buchstaben und Zahlen oder nur Zahlen – hinreichend sicher ist und nicht mehr wie früher ein eigenes individuelles Passwort gesetzt werden muß (vgl. Landgericht Frankfurt a.M., Urteil vom 22.1.2015 – 2-03 S 4/14; AG Hamburg 9.1.2015 – 36a C 40/14; ebenso schon AG Frankfurt/Main 14.6.2013 – 30 C 3078/12 (75), MMR 2013, 605).

Fazit: Es bleibt eine schwierige Abwehr in Filesharing-Fällen, auch wenn Familienanschlüsse mit mehreren Nutzern betroffen sind. Teilweise werden von den Richtern die Anforderungen unzumutbar überspannt.

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Darf der Internetaccessprovider bei einer Internetflatrate die dynamischen IP-Adressen speichern?

Vodafone hat sich gegenüber einigen Rechteinhabern, darunter auch ein Pornohersteller, vor Gericht durchgesetzt mit seiner Haltung, dass nicht auf Antrag der Rechteinhaber wegen Urheberrechtsverletzungen nach § 101 Abs. 9 UrhG Vodafone als Internetzugangsprovider verpflichtet werden darf, bei Kunden mit Internetflatrate die Verbindungsdaten mit dynamischer IP-Adresse zu speichern und zu sichern. Dies hatten einige Rechteinhaber zum Zwecke der Verfolgung von illegalem Filesharing in Internettauschbörsen bei Gericht beantragt, damit dann auch bei Vodafone eine Auskunft über die Namen und Adressen der betreffenden Kunden ermöglicht werde. Dies hat nun das OLG Düsseldorf mit Beschlüssen vom 07.03.2013, (Az. I-20 W 118/12, I-20 W 121/12, I-20 W 123/12, I-20 W 124/12, I-20 W 126/12, I-20 W 128/12, I-20 W 142/12, I-20 W 143/12, I-20 W 162/12 – laut Bericht des prozessbevollmächtigten Anwalts von Vodafone) als Ergebnis einer ganzen Prozessserie verschiedener Abmahner abgelehnt und damit Vodafone Recht gegeben. Anders als andere Internetzugangsprovider wie z.B. Telefonica, Telekom, 1 & 1 oder Unitymedia ist Vodafone nach Abschaffung der Vorratsdatenspeicherung aufgrund des Urteils des Bundesverfassungsgerichts im März 2010 dazu übergegangen, keine Verbindungsdaten mehr für diese Kunden zu speichern. Das ist ohnehin nur datenschutzrechtlich zulässig, soweit dies entweder für Abrechnungszwecke erforderlich wäre oder nach § 100 Abs. 1 TKG soweit und solange dies zur Abwendung von Störungen von Telekommunikationsanlagen und Missbrauch von Telekommunikationsdiensten erforderlich ist. Daneben so hatte das BVerfG ja entschieden, kommt eine Vorratsdatenspeicherung nur zur Verfolgung von genau spezifizierten Fällen schwerster Kriminalität und schwerer Gefahren in Betracht. Urheberrechtsverletzungen gehören hier wie das BVerfG bestätigte nicht dazu.

Hieraus ergibt sich aber nun für die Kunden anderer Internetaccessprovider die spannende Frage, warum das aber ihre Provider machen?! Dürfen die das?!

Wenn Vodafone sagt, die Speicherung der dynamischen IP-Adressen ihrer Internetkunden, sei über das Ende der Verbindung hinaus nicht erforderlich, fragt sich nämlich, warum dies bei den anderen erforderlich sein soll?! Oder anders gesagt, dann ist es wohl inzwischen nicht mehr für diese Zwecke erforderlich. Zeiten ändern sich, vielleicht ist ja inzwischen aus technischen Gründen die Annahme von § 100 Abs. 1 TKG obsolet. Demnach wäre also die Datenerhebung und Speicherung der Verbindungsdaten bei Internetnutzung mit Flatrate-Vertrag bei Kunden, die keine statische IP-Adresse haben, also rechtswidrig. Wenn der Kunde dann aufgrund einer Urheberrechtsverletzung z.B. von Nachbarn oder Familienangehörigen abgemahnt und dann noch verklagt werden würde, weil sein Provider rechtswidrig gespeicherte Daten an die Abmahner rausgegeben hat, kann der Kunde unter Umständen von seinem  Provider verlangen, ihm den Schaden der Datenschutzverletzung zu ersetzen. Dies hilft zwar wahrscheinlich nicht unmittelbar zur Abwehr der Ansprüche, die aufgrund einer Urheberrechtsverletzung von den Rechteinhabern geltend gemacht werden, da nicht unbedingt aufgrund der Rechtswidrigkeit der gespeicherten Daten auf ein Beweisverwertungsverbot geschlossen werden kann.

Folgerungen für die Praxis bei Abmahnungen wegen unerlaubter Verwertung geschützter Werke in sog. Tauschbörsen:

Wird ein solcher Kunde, dessen dynamischen IP-Adressen damit unzulässigerweise gespeichert werden, zu Unrecht eine Urheberrechtsverletzung via illegalem Filesharing vorgeworfen und erhält er eine Abmahnung mit der Aufforderung eine strafbewehrte Unterlassungserklärung abzugeben und Schadenersatz zu zahlen, kommt dann ein verschuldensunabhängiger Schadenersatzanspruch nach § 280 BGB, § 8 Abs. 1 BDSG gegen den Zugangsprovider in Betracht. Dieser müsste begründet sein, wenn der Provider dann vor Gericht nicht nachweisen kann, dass die Speicherung der Verbindungsdaten die Voraussetzungen nach § 100 TKG erfüllt hat. Denn wenn die Datenspeicherung rechtswidrig war, wäre die Auskunft des Providers an die Rechteinhaber nach § 101 Abs. 1 UrhG gar nicht möglich gewesen und wäre es dann nicht zu der Inanspruchnahme auf Unterlassung, Auskunft und Schadenersatz gekommen. Der Schaden wäre dann vom Provider nach §§ 280, 249 BGB zu ersetzen. Dies kommt jedenfalls dort in Betracht, wo der Abgemahnte nicht der Täter der Urheberrechtsverletzung ist, sondern selbst Opfer der Folgen der Rechtsverletzungen Dritter. Da mitunter die Summe der Kosten der Abmahnungen in die Tausende gehen können, z.B. bei We Save Your Copy Rights Abmahnungen im Auftrag der refx Audio Software 3.000 € für das illegale Filesharing der Audio Software, wäre dies durchaus sinnvoll und sollte daher künftig bei Filesharing-Klagen jeder Beklagter mit seinem Anwalt vorsorglich überlegen, ob nicht eine Streitverkündung sinnvoll ist, um ggfs. Rückgriff für den Schaden beim Provider nehmen zu können. Dies nützt allerdings gar nichts, wenn die Kosten im Wege eines Vergleiches „freiwillig“ übernommen worden sind.

§ 100 Abs. 1 TKG lautet:
(1) Soweit erforderlich, darf der Diensteanbieter zum Erkennen, Eingrenzen oder Beseitigen von Störungen oder Fehlern an Telekommunikationsanlagen die Bestandsdaten und Verkehrsdaten der Teilnehmer und Nutzer erheben und verwenden.

Das OLG Frankfurt hat noch in 2010 in einem gegenüber der Telekom geführten Verfahren entschieden, die Telekom dürfe die Verkehrsdaten auch von Internetflatkunden noch 1 Woche nach der jeweiligen Beendigung einer Internetverbindung weiter Speichern. Das begründete das Gericht im wesentlichen wie folgt:

Rz. 110: Der Kläger geht auch fehl in der Annahme, bei den dynamischen IP-Adressen handele es sich nicht um für die „Berechnung des Entgelts erforderliche Daten“ im Sinne der §§ 96 I, 97 II Ziffer 1 TKG, weshalb sie nach der jeweiligen Beendigung der Internetverbindung „sofort“ zu löschen seien.

Rz. 111: Es ist zwischen den Parteien unstreitig geblieben, dass die für den Verbindungsaufbau zwingend nötige IP-Adresse den Zugang zum Internet und zu anderen Telediensten der Beklagten überhaupt erst ermöglicht. Es besteht zwischen den Parteien ferner kein Streit darüber, dass auf dem Radius-Server der Beklagten lediglich die jeweilige Kennung sowie das hinterlegte Passwort der einzelnen Teilnehmer und die der einzelnen Internetverbindung zugeordnete IP-Adresse gespeichert wird. Die Abrechnung erfolgt nicht etwa über den Radius-Server, der nicht einmal das von dem jeweiligen Teilnehmer gewählte Tarifmodell kennt. Zur Vorbereitung einer Abrechnung überträgt der Radius-Server der Beklagten deshalb die jeweiligen IP-Adressen und die diesen jeweils zugeordneten Session-Daten, nämlich unter anderem den verwendeten Zugangsweg und den Beginn und das Ende der Nutzung, in automatisierten Vorgängen und intervallmäßig auf eine sogenannte „OC-Plattform“, wo die Daten – und zwar ohne dass Dritte eine Zugriffsmöglichkeit hätten – für das dezentrale Abrechnungssystem aufbereitet werden müssen. Erst danach werden die Daten an das dezentrale Abrechnungssystem übergeben……..
c.) Der Kläger verkennt überdies, dass ihm nach §§ 44 I, 96 I, 97 III TKG – wenn überhaupt – allenfalls ein Anspruch auf „ unverzügliche “ Löschung und nicht etwa auf „ sofortige “ Löschung zustehen könnte…..
4.) Darüber, dass sich eine Berechtigung der Beklagten zur automatisierten Speicherung von IP-Adressen für sieben Tage nach der Beendigung der Internetverbindung nicht aus § 96 I 3 TKG in Verbindung mit § 100 III TKG (in der ab dem 24.02.2007 gültigen Fassung) ergibt, besteht zwischen den Parteien zu Recht kein Streit……
5.) Demgegenüber sind auch die Voraussetzungen des in §§ 96 I 3, 100 I TKG geregelten Erlaubnistatbestandes gegeben.
132
Danach darf der Diensteanbieter Bestandsdaten und Verkehrsdaten der Teilnehmer und Nutzer erheben und verwenden, soweit dies „zum Erkennen, Eingrenzen oder Beseitigen von Störungen oder Fehlern der Telekommunikationsanlagen“ „erforderlich“ ist.
133
a.) Auf Grund der plausiblen und im Wesentlichen unstreitig gebliebenen Darlegungen der Beklagten kann davon ausgegangen werden, dass es der Beklagten bei einer „sofortigen“ Löschung der IP-Adressen derzeit praktisch unmöglich wäre, einen relevanten Teil von Störungen und Fehler an Telekommunikationsanlagen zu erkennen, einzugrenzen oder zu beseitigen.
Demnach wurde in diesem Verfahren darüber keine Beweisaufnahme durchgeführt bzw. ist zu berücksichtigen, dass der streitgegenständliche Zeitraum Jahre zurückliegt und somit die Frage der Erforderlichkeit der weiteren Speicherung der IP-Adressen über weitere 7 Tage nach Ende der Internetverbindung hinaus, sich aufgrund technischen Änderungen nunmehr zu verneinen sein könnte.
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BGH Urteil im Fall „Morpheus“: Eltern haften nicht für 13jährigen Sohn, der heimlich illegal Musik über Tauschbörsen lädt

….. jedenfalls dann nicht, wenn sie das Kind pflichtgemäß vorher über die Gefahren im Internet belehrt haben und dabei auch das Verbot ausgesprochen haben, kommerzielle Filme oder Musik in Tauschbörsen „kostenlos“ herunterzuladen und darauf hingewiesen haben, dass solche Tauschbörsen so funktionieren, dass automatisch offensichtlich ohne Zustimmung der Rechteinhaber Dritte das Werk laden können und damit eine rechtswidrige Veröffentlichung begangen wird, die teure Abmahnungen zur Folge haben kann. Damit hat der BGH ein Machtwort gesprochen gegenüber dem Landgericht Köln, das Eltern eines 13jährigen verurteilt hatte zur Zahlung von rund 5.000 € und darüber hinaus zur Zahlung der Prozesskosten.

Als Begründung hatten die Richter in Köln angeführt, die Eltern hätten das Kind überwachen müssen. Das war zu weitgehend und dies hat nun der I. Senat des BGH laut Pressemitteilung mit Urteil am 15.11.2012 klargestellt. Eine effektive Kontrolle ist weder praktisch in den Familien möglich und greift zu sehr in das Erziehungsrecht der Eltern ein. Diese Entscheidung sorgt nun für viel Wirbel, weil viele Familien in Deutschland hiervon betroffen sind und zum Teil eine existenzielle Bedrohung wegen hoher Forderungen ausgesetzt waren und die Abmahnkanzleien auch mit der Rückendeckung der Gerichte leider oft kurze Fristen gesetzt haben.

Bei Urheberrechtsverletzungen im Internet wegen Veröffentlichung von Filmen, Musikalben usw. im Internet war es bislang so, dass die Kläger sich die Gerichte ausgesucht haben, die viel zu weitgehende Anforderungen an die Eltern gestellt haben, damit ist jetzt endlich Schluss.

Leider liegt aber das Urteil noch nicht vor, sondern nur die Pressemitteilung des BGH, sodass viele Einzelfragen noch nicht entschieden sind.
Die Pressemeldung ist aber schon mal sehr erfreulich:
BGH Urteil vom 15. November 2012 – I ZR 74/12 – Morpheus e

Wir dürfen uns also merken, es ist nun entschieden, dass Eltern nicht zur Überwachung ihres 13jährigen Sohns verpflichtet sind und daher nicht haften, wenn dieser heimlich eine Software herunterlädt und Musik oder Filme damit über eine Tauschbörse für Dritte veröffentlicht. Sie als Eltern müssen und sollten aber beweissicher die Kinder vorher belehren. Weitergehende Maßnahmen im Hinblick auf andere Gefahren aus dem Internet für die Kinder sind zwar sinnvoll und für Eltern zum Schutze der kinder sinnvoll, können aber nicht von der Musik- und Filmindustrie oder sogar Pornoindustrie dazu pervertiert werden, deren kommerzielle Interessen in einem unzumutbaren Ausmass auf dem Rücken und auf Kosten der Familien auszutragen.

Für jene die es genauer wissen wollen:

Eine Überwachungspflicht besteht nicht, weil diese zu sehr in das Vertrauensverhältnis die Erziehung der Kinder eingreift. Aufgrund der technischen Möglichkeiten ist es ohnehin für Eltern praktisch nicht möglich, die Kinder ohne eine unzumutbare völlige Kontrolle zu überwachen, daher besteht keine Haftung, wenn die Eltern das Kind über die Gefahren belehrt haben und von den heimlichen Verletzungen des Verbots noch nichts gemerkt haben und auch sonst nicht darauf aufmerksam werden mussten.

Sicherlich ist es im Rahmen der Erziehung wichtig, zu schauen, was die Kinder im Internet machen und mit ihnen darüber zu sprechen und so auf eine sinnvolle, legale Nutzung einzuwirken, aber eine totale Kontrolle kann von den Musiklabels und der Filmindustrie nicht gefordert werden, da dies zu sehr in die Belange der Familie und Erziehung der Eltern eingreift und zudem die Haftungsgefahren für Eltern und Kinder untragbar macht – zumal die Nutzung des Internets und neuer Medien durch Kinder wichtig ist für die Aus- und Fortbildung und Teilnahme an gesellschaftlichen Aktivitäten. Eine Überwachungspflicht ist lebensfern, da der Umgang mit dem Internet von den Kindern erlernt werden muß und eine Überwachung zu sehr in die Erziehung und in das Vertrauensverhältnis mit dem Kind eingreift, zumal eine effektive Kontrolle ohnehin nicht möglich und zumutbar ist auf der anderen Seite aber gerade die Internetnutzung zur Teilnahme an der Infomationsgesellschaft wichtig ist.

Zu empfehlen ist auch, den Kindern legale Alternativen zum Musikhören im Internet aufzuzeigen. Eine gute, aber nicht erschöpfende Übersicht gibt es jetzt z.B. bei techfacts.de

Die Urteilsgründe liegen noch nicht vor, sodass noch viele Detailfragen offen sind, aber das Urteil gibt ein wichtiges Signal in die richtige Richtung.
Weiter wünschenswert wäre die Klärung, dass die Abmahnkanzleien nicht als nächstes die Kinder abmahnen können, nach dem Motto, ein Urteil oder sonstiger Titel wie ein Vollstreckungsbescheid sind dann ja 30 Jahre gültig. Leider gab es aber die ersten Abmahnungen gegenüber Kindern und Jugendlichen, nachdem sich Vater oder Mutter unter Hinweis auf fehlende Überwachungspflichten verteidigt hatten. Grundsätzlich ist zwar nach § 828 BGB eine Verantwortlichkeit auch von Jugendlichen vorgesehen. Eine solche Vorgehensweise der Musik- und Filmindustrie gegenüber Kindern und Jugendlichen wäre jedoch nicht tragbar. Das BGB aus dem 19. Jahrhundert hat diese Problematik noch nicht geregelt, also hoffen wir mal, auch die Amtsrichter in München, wo alle Abmahnkanzleien am liebsten bisher nach § 32 ZPO klagten, erkennen das Signal aus Karlsruhe. Jedenfalls werden die Richter in München sich nach dem BGH-Urteil umstellen müssen.

Wenn also in künftigen Fällen Kinder und Jugendliche abgemahnt werden, sollten Sie Ihre Kinder schützen und sollte hiergegen vorgegangen werden und müssen eben notfalls obergerichtlich oder durch den Gesetzgeber die Haftungsgrundsätze vernünftig festgelegt werden, denn sicherlich kann es nicht sein, dass Schüler wegen Urhberrechtsverletzungen, deren Ausmass sie altersgemäß regelmäßig nicht verstehen, dann Schulden von mehreren Tausend Euro haben, bevor sie überhaupt einen Job haben. Dies ist zur Verfolgung von Urheberrechtsverletzung eben nicht erforderlich, da gäbe es nach dem Warnschussmodell andere Wege.
Die Entscheidung des BGH erkämpft hat der Kollege Rechtsanwalt Solmecke aus Köln, der dankenswerter Weise hierüber berichtet.

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Bundesverfassungsgericht hebt OLG-Urteil wegen Filesharing auf

Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) hat erfreulicherweise einer Verfassungsbeschwerde eines Polizisten stattgegeben, der vom Landgericht Köln auf Zahlung von 3.500 € Anwaltskosten an eine Abmahnkanzlei wegen illegaler Musikdownloads in einer Tauschbörse verurteilt worden war. Das Landgericht und auch das Oberlandesgericht hatten entschieden, daß der Polizist als sog. Störer hafte, weil er für die Taten des volljährigen Sohnes seiner Lebensgefährtin als Internetanschlußinhaber verantwortlich sei. Das OLG Köln verweigerte die Zulassung des Rechtsmittel zum Bundesgerichtshof. Obwohl damit der Rechtsweg erschöpft war, hatte das OLG keine Begründung geliefert und dies war hier – so das BVerfG – offensichtlich verfassungswidrig, da diese Haftungsfrage für viele Leute klärungsbedürftig ist und die Obersten Landesgerichte in Frankfurt und Köln unterschiedliche Auffassungen zu diesem Fragenkreis vertreten. Denn es ist hoch umstritten, wie weit die Haftungsgefahr für Anschlußinhaber reicht, wenn Angehörige unbefugt Urheberrechtsverletzungen über den Familenanschluß begehen.  Zitat BVerfG, Beschluß vom 21.03.2012 – 1 BvR 2365/11-:

„Die Begründungsobliegenheit folgt in dieser Konstellation aus Art. 19 Abs. 4 GG …“[Anm.: das ist das Gebot des effektiven Rechtsschutzes, das sich aus dem Rechtsstaatsprinzip ergibt] „sowie aus Art. 101 Abs.1 Satz 2 GG“ [Anm.: das ist das Willkürverbot]. „Denn ein Berufungsgericht, das die Revision nicht zulässt, entscheidet, falls die Nichtzulassungsbeschwerde nicht eröffnet ist, unanfechtbar über die Erreichbarkeit von höherinstanzlichem Rechtsschutz im konkreten Fall. Unterlässt das Fachgericht eine nachvollziehbare Begründung seiner Nichtzulassungsentscheidung darf das Bundesverfassungsgericht aufheben, wenn eine Zulassung des Rechtsmittels nahegelegen hätte.“

Da der Bundesgerichtshof über die umstrittene Frage, wie weit die Handlungs- und Prüfpflichten bei Urheberrechtsverletzungen Dritter, die als Angehörige grundsätzlich befugt sind, den Anschluß zu benutzen, und hierbei heimlich illegales Filesharing betreiben, noch gar nicht durch den Bundesgerichtshof entschieden wurde und diese für Tausende von Betroffenen eine klärungsbedürftige Frage ist, war die Nichtzulassung der Revision gar nicht nachvollziehbar. Die Sache hat offensichtlich grundsätzliche Bedeutung.
Volltext der Entscheidung: http://www.bverfg.de/entscheidungen/rk20120321_1bvr236511.html