Wenn sich aus einer veröffentlichten Äußerung “zwischen den Zeilen”, also verdeckt, für die Leserschaft aber eindeutig eine bestimmte Tatsachenbehauptung ergibt, eine identifizierbare Person habe eine Straftat (hier Vergewaltigung) begangen, ist dies unzulässig, wenn die Autorin die Richtigkeit ihrer Behauptung nicht beweisen kann. Auch wenn die Journalistin es vermeintlich im Interesse der Opfer gut meint und den Frauen helfen will, die aus Angst vor einem Scheitern im Prozess vor einer Anzeige teilweise zurückschrecken, bleibt es doch eine unzulässige üble Nachrede, die nicht mehr von der Meinungs- und Pressefreiheit gedeckt ist und der Betroffene nicht hinnehmen muss. Andernfalls würde die rechtsstaatlich gebotene Unschuldsvermutung untergraben werden. Das hat das
Oberlandesgericht Köln, 15 U 3/14 mit Urteil vom 27.05.2014
klargestellt und die Entscheidung liegt nunmehr im Volltext vor.
Das Gericht führt dazu u.a. aus:
Bei der Beurteilung von „zwischen den Zeilen“ zum Ausdruck gebrachten Aussagen ist zu unterscheiden zwischen der Mitteilung einzelner Fakten, aus denen der Leser eigene Schlüsse ziehen kann und soll, und der erst eigentlich „verdeckten“ Aussage, mit der der Autor durch das Zusammenspiel offener Äußerungen eine zusätzliche Sachaussage macht bzw. sie dem Leser als unabweisliche Schlussfolgerung nahelegt. Unter dem Blickwinkel des Art. 5 Abs. 1 GG kann nur im zweiten Fall die „verdeckte“ Aussage einer „offenen“ Behauptung des Äußernden gleichgestellt werden. Denn der Betroffene kann sich in aller Regel nicht dagegen wehren, dass der Leser aus den ihm „offen“ mitgeteilten Fakten eigene Schlüsse auf einen Sachverhalt zieht, für den die offenen Aussagen Anhaltspunkte bieten, der von dem sich Äußernden so aber weder offen noch verdeckt behauptet worden ist (vgl. BGH, Urteil vom 22.11.2011 – VI ZR 204/04, in: NJW 2006, 601 ff.). Voraussetzung ist daher stets, dass für einen äußerungsrechtlichen Unterlassungsanspruch eine bestimmte Aussage aus dem Text für den Leser als Eindruck unabweislich folgt. Bei verdeckten Aussagen ist ein Unterlassungsanspruch nicht schon dann begründet, wenn sich aus den im Text enthaltenen Aussagen mehrere Schlüsse ergeben und ein solcher Schluss in einer nicht fernliegenden Auslegungsvariante das Persönlichkeitsrecht des Betroffenen verletzen würde. Vielmehr ist zu unterscheiden zwischen der Mitteilung einzelner Fakten, aus denen der Rezipient eigene Schlüsse ziehen kann und soll, und der erst eigentlich “verdeckten” Aussage, mit der der Autor durch das Zusammenspiel offener Äußerungen eine zusätzliche Sachaussage macht bzw. sie dem Leser als unabweisliche Schlussfolgerung nahe legt.
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Nach diesen Grundsätzen sind die vom Kläger beanstandeten Äußerungen in den beiden in Rede stehenden Veröffentlichungen der Beklagten als verdeckte Behauptung einer Vergewaltigung von E durch den Kläger zu verstehen. Ausdrücklich ist eine entsprechende Tatsachenbehauptung zwar in den Artikeln nicht enthalten. Durch die Textpassage „Da fragt man am besten E2 oder E oder irgendeine von den 86800 geschätzten vergewaltigten Frauen im Jahr, deren Vergewaltiger nie angezeigt, nie angeklagt oder nie verurteilt wurden.“ nach den Sätzen „F greift diesmal der Entscheidung voraus und verkündet hiermit schon mal ihre Unworte des Jahres, denn wir konnten uns zwischen zweien einfach nicht entscheiden. Sie lauten: „einvernehmlicher Sex“ und „Unschuldsvermutung“. in der Winter 2012-Ausgabe der Zeitschrift F bzw. „F … hätte … noch zwei weitere Vorschläge gehabt: „einvernehmlicher Sex“ und „Unschuldsvermutung“. Begründung?“ in der Internetpublikation vom 18.1.2012 wird jedoch sowohl in Bezug auf E, Nebenklägerin im Strafverfahren gegen den Kläger, als auch in Bezug auf E2, das vermeintliche Vergewaltigungsopfer von T, über das im Jahre 2011 in der Presse ebenfalls ausführlich berichtet wurde, im Sinne einer unabweislichen Schlussfolgerung der Eindruck erweckt, E sei tatsächlich von dem Kläger vergewaltigt worden, obwohl – wie ebenfalls pressebekannt – die beiden vermeintlichen Täter die Vorwürfe bestreiten und der Kläger sogar rechtskräftig freigesprochen wurde…..