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LG Frankfurt: Darlegungs- und Beweisfragen beim Filesharing

Nachdem der BGH mit Urteil vom 12.05.2010 – Az. I 124/08 – erstmalig im Falle von Urheberrechtsstreitigkeiten wegen Filesharings zu der Darlegungs- und Beweislast bei einem unzureichend abgesicherten WLAN entschieden hatte, daß der Anschlußinhaber als Störer haftet, ist in einem ähnlichen Fall nunmehr erneut vor dem Landgericht Frankfurt verhandelt und am LG Frankfurt, Urteil vom 29.03.2011 – Az. 2-18 O 248/08 entschieden worden. Im vorliegenden Fall hatte ebenfalls der Beklagte keine strafbewehrte Unterlassungserklärung abgegeben und versichert, daß er das Computerspiel “Call of Juarez” nicht wie behauptet in einer Tauschbörse veröffentlicht habe. Er trug hierzu vor, daß er jeweils an den beiden streitgegenständlichen Tatzeitpunkten im September 2006 nicht zuhause war und bot hierfür auch Zeugen an. Auch hier war damals nur mit WEP verschlüsselt worden, aber trug der Beklagte ein eigenes Passwort vor und beantragte Parteivernehmung, da er dies nicht anders beweisen könne.

Anders als im BGH Fall handelte es sich aber nicht um mehrere Wochen Urlaubsabwesenheit, sondern jeweils nur Tätigkeiten außer Haus, für die Zeugen benannt werden konnten. Während im BGH Fall noch unstreitig gestellt wurde, daß der Beklagte wohl nicht Täter sei, hat der Prozessbevollmächtigte der Klägerin Rechtsanwalt Schutt  hier bei dem Vorwurf täterschaftlicher Verantwortlichkeit des Beklagten und bestritt auch daß der Beklagte jeweils nicht zuhause war.

Nach dem Urteil des Landgerichts vom 29.03.2011 kam die Kammer hiernach überraschend zu dem Ergebnis, daß es dahinstehen könne, ob der Beklagte jeweils zuhause war und verurteilte den Beklagten als Täter zur Unterlassung und Zahlung von 150,00 €.

Anders als noch in der mündlichen Verhandlung stellte das Gericht darauf ab, daß auch ohne körperliche Anwesenheit des Beklagten sein Computer angeschaltet gewesen sein könne und es daher nicht ausreiche, darzulegen, zur Tatzeit nicht zuhause gewesen zu sein. Soweit der Beklagte vorgetragen hatte, es sei keine Filesharing-Software auf dem Computer des Beklagten gewesen,  sei er mangels Beweisangebot hierfür beweisfällig gewesen. Dies ist bemerkenswert, weil in vorliegendem Fall die Tatzeit Jahre zurückliegt, die Staatsanwaltschaft keine registermäßige Erfassung der Ermittlungen und insbesondere auch nicht der Providerauskunft vorgenommen hatte, und ferner weil der Beklagte erst über ein Jahr nach der Tatzeit abgemahnt worden war. DieKlage wurde erst  1 1/2 Jahre nach dem Tatzeitpunkt im Sommer 2008 erhoben. Es ist also offensichtlich für einen unschuldigen Anschlußinhaber gar nicht möglich, die gerichtlichen Beweisanforderungen zu erbringen. Der Beklagte hat gegen das Urteil Berufung eingelegt. Sein Motto – es kann doch nicht sein, daß die Staatsanwaltschaft keine Ermittlungen erfaßt und daher keine Möglichkeit besteht, einen Fehler bei den Ermittlungen oder der Providerauskunft aufzudecken. Auffällig ist, daß die Abmahnkanzleien aus diesen Beweisgründen regelmäßig erst kurz vor Ablauf der Verjährungsfrist klagen, sodaß Betroffene, die keine Beweissicherung gemacht haben, erhebliche Risiken haben, wenn es bei dieser Rechtssprechung bleibt und noch nicht einmal eine Parteivernehmung trotz typischer Beweisnot vorgenommen wird.

Das Berufungsverfahren vor dem OLG wird unter dem Az. 11 U 53/11 geführt. Der Beklagte hat ein Privatgutachten vorgelegt, in dem der IT-Sachverständige beschreibt, warum ein Computer nach Erhalt der Abmahnung und erst recht nach längerer Zeit weiterer Nutzung nicht mehr zur Aufklärung der Beweisfragen in Betracht kommt. Die von der Rechtssprechung aufgestellten Darlegungs- und Beweisanforderungen gegenüber Anschlußinhabern in den Tauschbörsenfaällen sind daher rechtsstaatlich bedenklich, weil sie – jedenfalls für abgemahnte private Verbraucher – nicht erfüllbar sind. Wir werden über das Ergebnis des Berufungsverfahrens berichten.

Nachdem in dem kürzlich vom Landgericht Stuttgart entschiedenen Fall (LG Stuttgart, Urteil vom 28.06.2011 Az. 17 O 39/11) eine Schadenersatzklage von Universal Music, Warner, Sony und EMI Music – die von der Kanzlei RASCH vertretenen großen Labels der Musikindustrie – abgewiesen worden war, weil die abgemahnte Familie den Anscheinsweis erfolgreich erschüttert hatte, sind diese Beweisanforderungen spannend. In dem Stuttgarter Fall war dies den Anschlußinhbern nur aufgrund von Glück im Unglück gelungen, weil die Staatsanwaltschaft die Computer des Anschlußinhabers erfolglos durchsucht hatte. Hierzu kommt es bekanntlich normalerweise nicht, sondern das Beweismittel Computer wird durch die Abmahnung untauglich gemacht. Wir haben für den Fall Call of Juraez daher den Frankfurter Richtern der I. Instanz vorgeworfen, daß es nicht dem Zufall überlassen werden darf, daß ungewöhnlicherweise einmal dem Anschlußinhaber der Beweis seiner Unschuld gelingt. Beweisanforderungen, die so überzogen sind, dürften dazu führen, daß weiter von einer hohen Zahl unschuldiger Abgemahnter ausgegangen werden muß. Dies ist wie ich denke, rechtsstaatlich nicht vertretbar.

Von Stefanie Hagendorff - IT-Fachanwältin - Compliance, Data Privacy and Cyberlaywer in Germany

Rechtsanwältin Hagendorff - Fachanwalt für IT-Recht und Datenschutzrecht mit Sitz in Friedberg bei Frankfurt/Main
Deutschland, Stefanie Hagendorff
https://www.it-fachanwaeltin.de/

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