In einer aktuellen Entscheidung des Oberlandesgerichts Köln hat der 2. Senat die beklagte Werbeagentur verurteilt, an die klagende Anbieter-GmbH eines Online-Business-Coachings mit standardisierten Materialien die vereinbarte Vergütung von rund 42.000 € zu zahlen. Problem der Werbeagentur war zunächst, dass der Vertrag nur mündlich geschlossen wurde – im Beisein von 3 Mitarbeitern mit dem Vertriebsmann der Coaching & Business Consulting Firma. Der Vertrag wurde nicht schriftlich oder in Textform abgeschlossen oder wenigstens bestätigt (sollte man nie so machen, immer wenigstens Bestätigungsschreiben mit Zusammenfassung des wesentlichen Inhalts) und die Anbieterin hat wohl erst spät nach Entstehen der Streitigkeit den Inhalt in Form einer Video- oder Audioaufzeichnung vorgelegt, deren Echtheit auch nicht bestritten wurde. Daraus ging hervor, dass eigentlich nur ein Coaching-Programm aus acht Modulen mit standardisierten Videos, Worksheets, Templates und Skripten, eine Betreuung in einer WhatsApp Gruppe mit sogenannten „Live-Calls“ in einer größeren Runde und eine Facebook-Gruppe zum Erfahrungsaustausch Gegenstand des 12-monatigen Coaching-Programms war und daneben fünf Tickets für die Teilnahme jeweils einer Person an einer Veranstaltung namens „Coaching Consulting Day“. Demnach waren weder individuelle Unternehmensberatungsleistungen zur Optimierung von Marketing und Vertrieb des Unternehmens vereinbart noch eine individuelle Lernerfolgskontrolle durch den Anbieter.
Verträge über digitale Produkte wie Coaching-Videokurse hier formlos wirksam
Der Senat kam entsprechend zum Ergebnis, dass der mündlich geschlossene Vertrag formlos wirksam war. Die Werbeagentur war keine Existenzgründerin. Die Geschäftsleitung machte auch zu spät geltend, sie hätte den Vertrag gar nicht abgeschlossen, wenn sie verstanden hätte, dass für das Entgelt von 12 x 4.165 € über die Laufzeit von zwölf Monaten im Wesentlichen nur der Zugriff auf eine Videoplattform mit einem Videokurs und standardisierten Empfehlungen für die Bereiche Marketing und Vertrieb mit Gedankenaustausch in größeren Gruppen auf Veranstaltungen oder Whatsapp Gegenstand der versprochenen Leistungen waren und keine individuelle Unternehmensberatung vereinbart war.
Anfechtung nicht innerhalb der Jahresfrist erklärt
Ob hier etwas anderes mündlich vereinbart war, blieb strittig, da das Gericht den Behauptungen der Klägerin insoweit mangels qualifiziertem Gegenbeweisangebot Glauben schenkte. Über Monate blieben die Leistungen insoweit ungerügt, obwohl die Mitarbeiter, die bei Vertragsschluss dabei waren, bei Leistungsmängeln dies zeitnah hätten rügen müssen. Jedenfalls hätte eine Anfechtung wegen arglistiger Täuschung nach § 124 BGB innerhalb der Jahresfrist erklärt werden müssen, aber auf die Täuschung haben sich die Werbeagenturinhaber erst nach einem anwaltlichen Schriftwechsel und Vorlage der Gesprächsaufzeichnung berufen und damit zu spät. Die Kenntnis der bei dem mündlichen Vertragsschluss anwesenden Mitarbeiter – so der Senat – haben die Frist zur Anfechtung in Gang gesetzt, nicht erst die spätere Vorlage der Aufzeichnung.
Kein Sonderkündigungsrecht, da kein Consultant, Unternehmensberater, Lehrer oder ähnliche Vertrauensperson
Auch eine Kündigung wegen Zerstörung eines besonderen Vertrauensverhältnisses, wie es bei Diensten höherer Art nach § 627 BGB möglich ist, hat der Senat verneint, da hier die GmbH keine individuellen Consultingleistungen versprochen hatte, sondern standardisierte Materialien in Form von Videokursen, Skripten und Gruppen-Veranstaltungen.
Interessantes zum Fernunterrichtsschutzgesetz
Schließlich macht der Senat auch interessante Ausführungen zum Fernunterrichtsschutzgesetz (FernUSG): Denn die Werbeagentur versuchte sich damit zu verteidigen, dass hier ein Fernunterrichtsvertrag abgeschlossen worden sei und dieser mangels Zulassung der Zentralstelle für Fernunterricht (ZFU) gemäß §§ 1, 7 i.V.m. 12 FernUSG nichtig sei. Der Senat räumt hier ein, dass wohl tatsächlich eine überwiegend räumliche Trennung der Wissensvermittlung vereinbart war, da die Live-Events und Live-Calls jeweils als Videokurs für die Vertragslaufzeit von 12 Monaten zum Abruf bereitgehalten wurden. Videoaufzeichnungen machen also – obwohl das üblich ist – Live-Veranstaltungen und Live-Unterricht zu einem asynchronen Fernunterricht, sofern eine Lernerfolgskontrolle wie etwa ein Zertifikat nach Absolvieren einer erfolgreichen Prüfung oder ähnliches vereinbart ist.
Online-Videokurs ohne Lernerfolgskontrolle kein Fernunterrichtsvertrag
Ein Fernunterrichtsvertrag nach § 1 FernUSG setze aber voraus, dass eine Vermittlung von Kenntnissen und Fertigkeiten mit einem definierten Lernziel vereinbart sei, deren Lernerfolg von dem Lehrenden kontrolliert werde. Bisher nahm nach meinen Informationen die ZFU und weite Teile der Rechtsprechung aufgrund einer alten auf das Jahr 2009 zurückgehenden Entscheidungen des Bundesgerichtshofs an, dass die Zusage einer solchen Lernerfolgskontrolle nicht unbedingt ausdrücklich vereinbart sein muss, sondern auch bei Werbung mit Begriffen wie „Studium“, „Schule“, „Ausbildung“ oder „Prüfung“ bzw. „Zertifikat“ für eine erfolgreiche Teilnahme erwartet werden kann, dass der Dozent kontrolliert, ob der Teilnehmer das Lernziel erfolgreich erreicht hat und es hierzu auch reiche, wenn der Teilnehmer den Dozenten Fragen stehen könne; die Initiative und Kontrolle des individuellen Erreichen der Lernziele von Seiten des Dozenten müsse nicht vereinbart sein. Im vorliegenden Fall gab es jedoch keine solche Zusage, vielmehr wurde nur versprochen, dass die Agentur die Ziele einer Verbesserung ihrer Marketing- und Vertriebsprozesse anhand der Materialien selbst individuell umzusetzen und sich damit selbst kontrollieren könne. Da die Live-Calls jeweils als Gruppenveranstaltung angelegt waren, waren solche Prüfungsfragen nicht ersichtlich, jedenfalls nicht in dem Sinne, dass es der Referent gewesen wäre, der Teilnehmer prüft, um den Lernerfolg zu bei ihnen zu kontrollieren.
Abkehr von der zu weiten BGH-Rechtsprechung bei Gelegenheit Fragen zu stellen
Das ist insoweit bemerkenswert, weil sich das OLG Köln damit klar von der viel weiteren Auffassung des BGH und OLG Celle abwendet (siehe hierzu meinen Beitrag), nach denen eine individuelle Lernerfolgskontrolle im Sinne des § 1 FernUSG bereits dann bejaht wurde, wenn nur etwa im Rahmen von Webinaren oder in einem Chat-Support zu Videoaufzeichnungen die Möglichkeit versprochen wurde, Fragen an den Dozenten zu stellen und hierauf eine mehr oder weniger ausführliche individuelle Antwort zu erhalten. Beim Online-Geldlehrgang, der dem Urteil des BGH in 2009 zugrundelag (Az. III ZR 310/08 – juris), ließ der Senat die Gelegenheit des Teilnehmers, Fragen zu stellen in Verbindung mit dem Begriff „Lehrgang“ ausdrücklich ausreichen und entschied sich für eine Anwendbarkeit des Fernunterrichtsschutzgesetzes zugunsten des Teilnehmers. Auch das OLG Celle hat in einem Urteil vom 1.3.2023 – Az. 3 U 85/22 – diese weite Auslegung bestätigt und kam im dortigen Fall eines Live-Kurses ohne eine ZFU-Zulassung daraufhin zu einer Nichtigkeit des Vertrages nach §§ 1, 7, 12 FernUSG. Im Fall des OLG Celle handelte es sich sogar um ähnliche Leistungen wie hier im Fall des OLG Köln, nämlich laut Urteil
„ – Wöchentliche Life Calls (7 Stück)
– 1:1 Calls auf Abruf
– WhatsApp Support
– Mitgliederbereich
– klares Angebot und Kundenprofil
– klare Positionierung
– Frauen im Verkauf und Professionalität nach außen
– Leadquelle
– S. b. w. Verkaufsprozess, Optimierung und Skalierung
– Mitarbeiter Recruiting und Führung….“ (Zitatende)
für eine Laufzeit von ebenfalls zwölf Monaten. Anders als das OLG Celle kommt hier aber das OLG Köln nicht zu einer Anwendbarkeit des Fernunterrichtsschutzgesetzes.
Keine Lernerfolgskontrolle nach dem FernUSG ohne individuelle Prüfung des Dozenten
Im Fall des OLG Köln, bei dem die teilnehmenden Werbeagentur für die geschilderten standardisierten Leistungen zu Themen im Bereich Online-Businesscoaching keine Begriffe wie „Lehrgang“, „Akademie“ oder ähnliches anführen konnte, ging es dem OLG Köln jedoch deutlich zu weit, dem Vertrag irgendeine Lernerfolgskontrolle durch den Anbieter der Leistungen zu entnehmen. Eine Lernerfolgskontrolle im Sinne des § 1 FernUSG sei nur dann eine solche, wenn es der Lehrende ist, der kontrolliert und nicht, wenn anhand von Materialien wie etwa Checklisten es der Teilnehmer selbst ist, der damit die richtige Umsetzung der Lerninhalte kontrollieren soll.
Fazit: Insgesamt zeigt der Fall also recht eindrucksvoll, dass es zur Vermeidung von Streitigkeiten wichtig ist, die konkreten Leistungen und Konditionen klar in Textform, zumindest elektronisch, auszuformulieren und niederzuschreiben, und diesen dann vor der Auftragsbestätigung auch nochmal genau zu prüfen. Immer wieder entstehen später Streitigkeiten deshalb, weil später über den Inhalt der versprochenen Leistungen und Merkmale Uneinigkeit entsteht. Whatsapp und Zoom und andere Tools bieten sogar die Möglichkeit, die gesprochenen Vereinbarungen direkt zu transkribieren und erleichtern so die Zusammenfassung in dem Vertrag oder der Auftragsbestätigung.
Ferner ist es zu begrüßen und richtig, dass der Senat die nicht mehr zeitgemäße weite Entscheidung aus dem BGH-Geldlehrgangfall auf den Sinn und Zweck des Fernunterrichtsschutzgesetz zu beschränken und so eine sinnvolle Abgrenzung zwischen Online-Kursen ohne Lernerfolgskontrolle des Dozenten und echtem Fernunterricht überzeugend vornehmen zu können. Wichtige Bildungsangebote würden sonst vom Markt verschwinden. Die Werbeagentur hier hätte mit üblichen Instrumentarien sich vor einem Irrtum über wesentliche Eigenschaften des Vertrags schützen können. Da es sich nicht um eine Existenzgründerin handelte, geht auch insoweit die Rechtssicherheit der Gültigkeit eines Vertrags vor. Es ist richtig, daß insoweit der Senat klargestellt hat, dass es für die Annahme einer Lernerfolgskontrolle im Sinne des FernUSG nicht ausreichen kann, wenn Teilnehmer in einem Online-Kurs die Gelegenheit haben, entweder direkt oder nachträglich in einem Chat-Support z.B. über Whatsapp oder sonstige Tools, Fragen an den Dozenten zu stellen. Niederschwellige E-Learning Angebote würden sonst wegen der unverhältnismäßig hohen Aufwendungen für eine ZFU-Zulassung und Einschränkungen der Vertragsfreiheit vom Markt verdrängt werden, auch wenn sie wertvoll sein können.
Das Urteil des OLG Köln vom 6.12.2023 – 2 U 24/23 – ist im Volltext bei medien-internet-und-recht.de abrufbar.
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