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Bumerang gegen Abofalle: Neues Unterlassungsurteil des LG Frankfurt vom 10.12.2012

Update 14.12.2012: Streitwert wurde mit Beschluss vom 10.12.2012 auf 12.634,12 € festgesetzt und Tenor der Entscheidung unten präzisiert, nachdem nun die schriftliche Ausfertigung vorliegt. Gegen das Urteil hat der Prozessbevollmächtigte der IContent GmbH sofort nach Zustellung Berufung eingelegt – so wie bereits nach Erhalt der Abmahnung sofort widersprochen wurde.
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10.12.2012: Mir liegt das Urteil noch nicht schriftlich vor, aber gestern hat das Landgericht Frankfurt in einem ungewöhnlichen Streit eines Verbrauchers mit einer bekannten Abofalle ein interessantes Urteil verkündet. Den Verbraucher habe ich als Prozessbevollmächtigte vertreten und kann daher berichten:

Das Gericht hat die Betreiberin der Webseite outlets.de gestern 10.12.2012 sinngemäß verurteilt,
1. es bei Meidung eines Ordnungsgeldes von bis zu 250.000 € ersatzweise Ordnungshaft oder Ordnungshaft, zu vollziehen an dem Geschäftsführer der Klägerin, zu unterlassen, eine e-mail Adresse des Beklagten –
insbesondere die e-mail Adresse vorname.nachname@t-online.de (Name hier natürlich
geändert) – ohne dessen Einwilligung zu nutzen, insbesondere es zu unterlassen an ihn Zahlungsaufforderungen per E-Mail wegen einer angeblichen Anmeldung outlets.de zu übersenden,
ohne die Anmeldung verifiziert zu haben und
hierbei einen negativen Schufa-Eintrag in Aussicht zu stellen.
2. Die Klägerin wird verurteilt, die durch die Inanspruchnahme von Rechtsanältin Stefanie Hagendorff, Hugenottenstr. 94, 61381 Friedrichsdorf entstandenen vorgerichtlichen Kosten in Höhe von 311,18 € nebst 5 %-Punkten Zinsen über dem Basiszinssatz der EZB seit dem 11.10.2011 zu zahlen.

Außerdem hat zur negativen Feststellungsklage der Klägerin, das Gericht festgestellt, dass die von dem Beklagten geltend gemachten Schadenersatzansprüche nicht bestehen.
Von den Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin (Widerbeklagten) 95 % und der Beklagte (Widerkläger) 5 %.

Zum Hintergrund:
Die Parteien IContent GmbH und ein Verbraucher stritten um eine angebliche Anmeldung bei outlets.de in 2010. Outlets.de verspricht Informationen zu Schnäppchen und Werksverkäufen mit stark reduzierter Ware. Obwohl nach ganz überwiegender Meinung der Kostenhinweis und Vertragslaufzeit nicht klar genug und völlig überraschend war, hielt unter Protest tausender Betroffener und der Verbraucherschutzverbände der Betreiber die Seite und sein Inkassogeschäft erfolgreich lange aufrecht. Hier ware es nun so, daß die Anmeldung nicht aktiviert oder auf sonstige Weise verifiziert worden war. Dennoch behandelte die IContent den Verbraucher als „Kunden“ und sendete an die registrierte e-mail Adresse Rechnungen und Mahnungen. Der Verbraucher und spätere Widerkläger beschwerte sich und widersprach. Dennoch mahnte die IContent in der Manier eines Inkassobüros gegenüber dem Verbraucher weiter und lenkte nicht ein.
E-mails und Anrufe des Verbrauchers, mit denen er geltend machte, dass er sich gar nicht angemeldet hatte,
halfen nicht, die Betreiberin dieser Kostenfalle zum Einlenken zu bewegen. Er wurde immer wieder nur darauf verwiesen, dass die Anmeldung „beweissicher“ mit der IP-Nr soundso im System gespeichert sei und er daher angeblich einen Dienstleistungsvertrag bei outlets.de abgeschlossen habe. Er müsse daher 96 € nebst Mahngebühren für das 1. Vertragsjahr zahlen habee, sonst, so wurde ihm mitgeteilt, habe er „bei Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen“ mit einem negativen Schufa-Eintrag zu rechnen. Schließlich enthielt jede der e-mails den Footer, daß er bei weiteren Fragen sich an die kostenpflichtige Hotline-Nummer 01805……..wenden solle. Auch Beschwerden bei der Telekom oder dem Bundesverband der Telekommunikation halfen nichts, die ihn zurück an die Icontent verwiesen.

Daraufhin rief er bei der IContent GmbH wiederholt und erfolglos unter der angegebenen 01805…. Nummer an und – dies ist aber streitig geblieben –, wurde 90 Minuten in einer Warteschleife laufend vertröstet mit einem der üblichen Ansagen, die den Anrufer „höflich“ um Geduld bitten.
Nun wurde spätestens hier der bisher typische Fall aber ein ungewöhnlicher. Denn der Verbraucher zahlte nicht und ließ aber auch nicht locker, sodaß auch die IContent GmbH anscheinend langsam Spass daran empfand, den Verbraucher auf die Palme zu bringen.
Die Sache schaukelte sich hoch. Er rief vergeblich erneut an, erreichte dann irgendwann Mitarbeiter, die jedoch beharrlich die Forderung aufrechterhielten.

Schließlich schlug er per e-mail dann einen persönlichen Termin vor Ort vor, um die Angelegenheit zu klären. Als e-mail-Antort kam, man werde sich umgehend an ihn wenden, dies mißverstand er, nachdem er keine Antwort zum Terminvorschlag bekam, als konkludent angenommen. Nach dem Motto, ansonsten hätte die IContent ja widersprechen können….
Er fuhr zu der damaligen Adresse in Frankfurt, ein Bürohaus mit vielen Einzelbüros im teuersten Westend auf der Bockenheimer Landstraße, deren Empfangszentrale mitteilte, es sei niemand der IContent GmbH da.
Nachdem der Verbraucher über das Internet herausfand, dass es sich um eine seit Jahren bei Verbraucherzentralen bekannte Abofalle handelt, über die sich bereits tausende von Verbrauchern beschwert hatten und viele – über 5.000 – sogar Strafanzeige erstattet hatten, erstatte auch er Strafanzeige und ließ einen Mahnbescheid wegen Schadenersatz gegen die IContent GmbH beim AG Hühnfeld erwirken.

Dies hatte jedoch keinen Erfolg, denn gegen den Mahnbescheid wegen Schadenersatz erhob die IContent Widerspruch. Schließlich gelangte die Sache zum AG Seligenstadt, da die Icontent ihren Sitz nach Rodgau verlegt hatte.
Parallel dazu erhob die Klägerin IContent nunmehr vor dem AG Frankfurt eine negative Feststellungsklage gegen die strittigen Schadenersatzansprüche des Verbrauchers.
Nachdem aufgrund Verletzung rechtlichen Gehörs der Klägerin ein Versäumnisurteil gegen sie erging und diese Einspruch einlegte,
wendete sich hilfesuchend der Verbraucher erstmals an mich. Mit dem Mahnbescheid beim AG Hühnfeld hatte er noch andere anwaltliche Vertreter mandatiert.

Nach Prüfung der Sach- und Rechtslage habe ich dann empfohlen, entweder einlenken oder handeln nach der Devise: Angriff ist hier die beste Verteidigung.
Der Verbraucher wählte Variante 2: abmahnen lassen. So etwas wollte er nach dem ganzen Ärger sich nicht gefallen lassen. Trotz Kostenrisiken.
Die Schadenersatzklage beim AG Seligenstadt nahm der Verbraucher auf mein Anraten zurück, um nicht auf prozessunökonomisch vor 2 Gerichten in Parallelprozessen um die gleiche Sache zu kämpfen. Wegen des geringen Streitwerts wegen des Streits um die Schadenersatzansprüche war das aber nicht tragisch.
Auch waren seine Schadenersatzansprüche unsicher, da er erhebliche Beweisprobleme hatte wegen der Hotlinekosten und starke Beurteilungsprobleme bei den Fahrtkosten, denn hier war ja auch der vorgeschlagene Termin nicht von Icontent bestätigt worden.

In Abstimmung mit dem Verbraucher mahnte ich daraufhin den Geschäftsführer der Klägerin wegen Unterlassung ab und erhob nach deren Zurückweisung Widerklage wegen Unterlassung und Kostenerstattung.

Wie gestern verkündet, hat das Landgericht Frankfurt zwar auf Antrag der ursprünglich klagenden IContent GmbH festgestellt, dass die von dem Verbraucher geltend gemachten Schadenersatzansprüche in Höhe von rund 132 € (Hotlinekosten, Fahrtkosten zu einem strittigen außergerichtlichen „Klärungstermins“) nicht bestehen, aber die Widerklage des Verbrauchers hatte Erfolg, sodaß 95 % der Kosten von der Klägerin zu tragen sind.

Auf die Widerklage des Verbrauchers wurde nämlich die IContent GmbH verurteilt, es zu unterlassen, die e-mail Adresse des Widerklägers (eines Verbrauchers, der
bestritten hatte, sich bei outlets.de angemeldet zu haben) zu nutzen, insbesondere an die e-mail Adresse vorname.nachname@t-online.de (Name hier natürlich
geändert) Zahlungsaufforderungen und Mahnungen wegen einer angeblichen Anmeldung bei outlets.de zu senden, ohne die Anmeldung verifiziert zu haben und
hierbei einen negativen Schufa-Eintrag in Aussicht zu stellen.
Desweiteren wurde die widerbeklagte IContent GmbH auch verurteilt, dem Beklagten die entstandenen Anwaltskosten in gesetzlicher Höhe aus der anwaltlichen Abmahnung zu erstatten.
Deren Höhe ist jedoch noch nicht klar, da über den vom Landgericht bestimmten Streitwert der Unterlassungsansprüche, der zuletzt vom Amtsgericht auf 12.000 € taxiert worden war, soweit ich bisher richtig informiert bin, noch nicht abschließend entschieden ist.
Beantragt hatte ich die Erstattung der für die Abmahnung der Klägerin dem Widerkläger „entstandenen Anwaltskosten in gesetzlicher Höhe, mindestens jedoch 1,5 Geschäftsgebühr aus einem Gegenstandswert von 2.500 € zzgl. Auslagenpauschale von 20 € und 19 % Umsatzsteuer“, weil ich nach dem Hin und Her mit dem Streitwert diesen als schwierig zu beurteilen und noch offen ansah.

Die Begründung bleibt nun abzuwarten, aber wir hatten im Wesentlichen vorgetragen, eine Nutzung der e-mail Adresse ist datenschutzrechtlich unzulässig und daher ein Persönlichkeitsverletzung. Es sei noch schlimmer als Spam, wenn die angebliche Anmeldung wie hier nicht verifiziert worden ist, da sie von jedermann eingegeben werden kann und den Verbraucher die massiven Inkassoschreiben erheblich belästigen und verunsichern. Zudem ist es ein Betrugsversuch. Dies hatten über 5.000 Strafanzeigen bei der Staatsanwaltschaft gegen die Klägerin und ein Strafverfahren wegen gewerbsmäßigen Betrugs und anschließende Verurteilung des alleinigen Gesellschafters der IContent GmbH (dort allerdings wegen anderer Webseiten) ja auch bestätigt. Außerdem machten wir geltend, sei es unzulässig, Forderungen geltend zu machen, die dem Gläubiger selbst nicht plausibel sein können und dies ist bei der Anmeldung unter outlets.de in 2010 der Fall. Denn der Kostenhinweis ist und war zu sehr versteckt, sodaß die Kostenpflicht für jeden Anmelder überraschend war. Auch das Landgericht bestätigte in der mündlichen Verhandlung, dass kein Vertrag unter diesen Umständen zustandegekommen wäre.

Zudem ist die Inaussichtstellung eines negativen Schufa-Eintrages nach § 28a BDSG „bei Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen“ unzulässig, wenn die Anmeldung strittig ist und die Anmeldung auch nicht verifiziert wurde und außerdem eine nicht bestehende Forderung angemahnt wird, die mangels klarem Kostenhinweis und erst recht mangels Verifizierung unter keinen Umständen der Klägerin hätte selbst plausibel erscheinen können.

Nachdem die Button-Lösung am 1.8.2012 in Kraft getreten ist (§ 316g Abs. 3 BGB), hat outlets.de zwar zunächst einmal ihre Anmeldeseite deaktiviert, aber diese war bis zuletzt unverändert online, sodaß noch unklar ist, wie diese nun weiter vorgeht.

Ich denke, da die Möglichkeit einer negative Feststellungsklage gegen Abofallen diese aus vielen Gründen wohl nicht effektiv bekämpft, und auch Strafverfolgung meist zu langsam ist, ist es gut und richtig, mit der Abmahnung und Zubilligung von unmittelbaren Unterlassungsansprüchen Verbrauchern effektiv zu helfen, die Opfer eines solchen Abofallen-E-Mail-Stalkings werden. Zwar hat die Button-Lösung bereits erste Wirkungen gezeigt. Aber – und hiermit ist wohl der Widerstand der Klägerin zu erklären – es bleiben noch viele Schlupflöcher, mit denen auch in Zukunft die gewerbliche Nutzlosbranche erfolgreich Verbraucher das Geld aus der Tasche ziehen wird. Zumindest in dem Fall, in dem ohne Absenden der Anmeldung bzw. ohne Verifizierung des Anmelders gemahnt wird, bestätigte nun das Landgericht Frankfurt einen gerichtlich durchsetzbaren Unterlassungsanspruch des Verbrauchers, wenn er sich gar nicht angemeldet hatte. Dies ist eine Fallgruppe, die nach Einführung der sog. Button-Lösung für die Abofallenbetreiber umso wichtiger geworden ist.
Ein abmahnfähiger und gerichtlich durchsetzbarer Abwehranspruch des Verbrauchers wäre hier für Abofallen dann besonders teuer, da sie nicht wissen, wem welche e-mail Adresse gehört und dies nicht wie bei der negativen Feststellungsklage im Einzelfall gütlich beilegen können, sondern bei Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung dann Gefahr laufen würden, teure Vertragsstrafen an angemahnte Verbraucher zahlen zu müssen, wenn ihnen gegenüber eine strafbewehrte Unterlassungserklärung abgegeben worden ist. Darum kam auch keine gütliche Einigung oder Erledigung in diesem Streit zustande. Dies hätte eine zumindest ohne Anerkennung einer Rechtspflicht aber verbindlich abgegebene strafbewehrte Unterlassungserklärung vorausgesetzt.

Datenverstöße dürfen sich für sie also nicht rechnen und dürfen nicht zu neuen Mahnungen der Kostenfallenbetreiber führen, um den Button „kostenpflichtig bestellen“ dann erst recht argumentativ gegen den Verbraucher zu verwenden.

Zu den Folgen der Button-Lösung gibt es nun auch einen interessanten aktuellen Beitrag von Dr. Michael Müller: „Die „Button“-Lösung gegen Kostenfallen im Internet-Ende gut, alles gut?“ in der Zeitschrift K&R 2012, 791ff, der sich mit diesen „neuen Geschäftsmodellen“ und ihrer juristischen und praktischen Beurteilung näher beschäftigt. Wie auch der Verfasser in seinem Fazit konstatiert, ist das eigentliche Problem, daß bisher Verbraucher sich gegen die Abofallen nicht effektiv gerichtlich zur Wehr setzen konnten.

Nun bleiben die schriftlichen Urteilsgründe für die Einzelheiten abzuwarten und ist damit zu rechnen, dass die Klägerin in Berufung geht.

Von Stefanie Hagendorff - Rechtsanwältin und IT-Fachanwältin

Rechtsanwältin Hagendorff - Fachanwältin für IT-Recht und Datenschutzrecht mit Sitz in Friedberg bei Frankfurt/Main
Deutschland, Stefanie Hagendorff
https://www.it-fachanwaeltin.de/

8 Antworten auf „Bumerang gegen Abofalle: Neues Unterlassungsurteil des LG Frankfurt vom 10.12.2012“

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