Kategorien
Blogroll Digitale Produkte e-Learning Fernunterricht Uncategorized Vertragsrecht

Fragebogen für die rechtliche Prüfung eines Coaching-Business mit Zielgruppe in Deutschland

Fragenkatalog für Coaching oder sonstige E-Learning Anbieter (Due Diligence):

Sind Sie ein eingetragenes Unternehmen in Deutschland oder wenn nicht, wo sitzt es dann und wo ist es registriert?
Ist der Firmenname und Produktname einschließlich der Social Media Accounts und Domains markenrechtlich geprüft und verletzt keine Rechte Dritter? Haben Sie eine registrierte Marke für die genutzten Namen und Domains mit Schutzrechtserstreckung auf Deutschland z.B. EU-Marke, IR-Marke oder DE-Marke beim Deutschen Marken- und Patentamt?
Haben Sie deutsche Kunden?
Sind Ihre Kunden
a) private Kunden, die ihr Einkommen als Arbeitnehmer, Studenten über Stipendien / Zuschüsse oder als Rentner bestreiten (B2C), oder
b) Existenzgründer oder
c) Unternehmer mit Mitarbeitern?
Welche Art von Online-Kursen bieten Sie an? Beziehen sich diese nur auf den Freizeitbereich oder berufliche Fähigkeiten und Lerninhalte?
Haben Sie alle Lizenzen für die genutzten Daten zum Betrieb Ihrer Online-Kurse von den Lieferanten und dem verwendeten Content?
Zur Frage, ob Sie eine Zulassung benötigten sind viele Fragen zu prüfen. Haben Sie eine Zulassung der Zentralstelle für Fernunterricht (zfu.de) nach dem Fernunterrichtsschutzgesetz?
Wie stellen Sie sicher, dass Ihre Online-Kurse / Dienstleistungen / digitalen Produkte den weiteren geltenden rechtlichen Anforderungen entsprechen und begrenzen die Haftung?
Handelt es sich
a) überwiegend um individuelle Beratungs- und Coaching-Leistungen (persönliche Gespräche z.B. Live Calls, Webinare, sonstige Möglichkeiten individuell auf Fragen des Teilnehmers unmittelbar einzugehen wie etwa bei Chatsupport)
oder lernen die Teilnehmer
b) überwiegend an abrufbaren Inhalten wie abrufbare Videos, Hörbücher, Texten und (virtueller) Trainingsumgebung?

Verfügen Sie über eine Datenschutzrichtlinie und halten Sie sich an die geltenden Datenschutzgesetze? Haben Sie ein Datenschutzmanagementsystem und sorgt Ihr Management dafür, dass ein Dokumentenmanagement vorhanden ist, und die verantwortlichen im Unternehmen die Umsetzung überwachen und dokumentieren? Werden die Mitarbeiter regelmäßig und adäquat geschult? Wie behandeln Sie personenbezogene Daten Ihrer Kunden und Teilnehmer?
Sind die nötigen Lizenzen für die verwendeten Texte und Daten vorhanden?
Wie gehen Sie mit Urheberrechtsverletzungen in Ihren Online-Kursen um?
Bieten Sie eine Rückerstattung oder Garantie für Ihr Bildungsangebot an? Wenn ja, welche Bedingungen gelten dafür?
Haben Sie Allgemeine Geschäftsbedingungen (AGB) für Ihr Business? Wenn ja, welche Bedingungen enthalten sie?
Welche Preise und Zahlungsbedingungen bieten Sie an und welche Leistungsbeschreibung stellen Sie zur Verfügung?
Umgang mit Beschwerden: Wie gehen Sie mit Beschwerden und Streitigkeiten von Kunden um?

Hintergrund des Fragenkatalogs: Coaching-Anbieter oder sonstige E-Learning-Anbieter für berufliche Weiterbildungsangebote oder Zertifikatskurse für berufliche Qualifikationen sollten eine rechtliche Prüfung (Due-Diligence) und ggfs. Anpassung ihres Geschäftsmodells anwaltlich durchführen lassen. Das schließt die wichtigen Verträge unter den Gesellschaftern als auch mit Kunden und Geschäftspartnern ein. Ferner insbesondere auch ob die Bewerbung wettbewerbsrechtlich rechtskonform ist und ob Zulassungen und Lizenzen benötigt werden. Denn es kann sonst darin enden, dass die Kunden oder Teilnehmer erfolgreich den Vertrag auflösen und das Geld zurück verlangen oder Abmahnungen durch Verbraucher- oder Wettbewerbsverbände wie die Wettbewerbszentrale drohen.

Gerne helfe ich Ihnen weiter. Stellen Sie eine Anfrage mit Antworten zu Ihrem Fall und was ich für Sie tun kann.

Kategorien
Blogroll Digitale Produkte e-Learning Fernunterricht Internetrecht Uncategorized Vertragsrecht Werberecht

Landgericht Hamburg Urteil vom 19.07.2023: Geld zurück von Coaching-Anbieter Hook Consulting

Aktuelle Urteile zu Online-Kursen und Coaching-Anbietern ohne ZFU-Zulassung
Online-Kurse können unter Umständen zulassungspflichtig sein und sind bei Fehlen der Zulassung der Zentralstelle für Fernunterricht (ZFU.de) nichtig, und zwar auch dann, wenn der Teilnehmer Unternehmer oder Existenzgründer ist. Neben anderen Stolperfallen, die ich hier nicht aufzählen kann, ist das eine und diese Ansicht setzt sich seit einiger Zeit bei den Gerichten durch. Einige Urteile, die in der E-Learning Branche seit Frühjahr 2023 für Unruhe gesorgt haben, wie u.a. Landgericht Hannover oder OLG Celle vom 1.3.2023 zeigen das. Dazu hatte ich bereits in diesem Blog berichtet. Auch das Landgericht Hamburg hat nunmehr mit Urteil vom 19.07.2023 Az. 304 O 277/22 entschieden, dass das Fernunterrichtsschutzgesetz (FernUSG) nicht nur Verbraucher als Teilnehmer schützt, sondern auch Selbständige, Existenzgründer und Unternehmer. So hat das Landgericht Hamburg eine Zahlungsklage des Online-Coaching-Kursanbieter Hook Consulting gegen einen Teilnehmer, der den Vertrag widerrufen hatte, abgewiesen und der Widerklage auf Erstattung der Teilzahlungen stattgegeben.

Zulassungspflicht nach § 12 Fernunterrichtsschutzgesetz beachten
Der Anbieter hatte keine Zulassung der Zentralstelle für Fernunterricht nach § 12 FernUSG, obwohl laut Urteil die Online-Videos mehrheitlich nicht in einem virtuellen Direktunterricht z.B. Live-Calls, Chat-Support, Webinare, individuelle Coaching Beratung 1:1 oder in Kleingruppen angeboten wurden, sondern die Lerninhalte in Form von Videos und Dokumenten auf Abruf in einem zahlungspflichtigen Kundenbereich. Der Teilnehmer hatte wenige Tage nach Vertragsschluss im März 2023 den Vertrag widerrufen, aber auf die Wirksamkeit des Widerrufs kam es laut Landgericht Hamburg gar nicht an. Denn ohne die Zulassung der ZFU war laut Landgericht Hamburg der telefonisch geschlossene Vertrag nach § 7 FernUSG nichtig und konnte der Teilnehmer die Teilzahlungen zurückverlangen.

Volltext des aktuellen Urteils mit Klageabweisung Landgericht Hamburg vom 19.07.2023
Auf die Entscheidung, die noch nicht rechtskräftig ist, weist die Media Kanzlei aus Frankfurt am Main hin. Das Urteil Landgericht Hamburg, Urteil vom 19.07.2023 – Az. 304 O 277/22 – ist mit den Entscheidungsgründen im Volltext abrufbar unter:

Geld zurück von Online Coaches, Erfolgreiche Verteidigung gegen Zahlungsklage, Präzedenzfall ermöglicht Rückerstattung

Update 16.09.2023: Inzwischen haben dieser und weitere Anbieter ihre Angebote angepasst, aber dazu berichte ich in einem anderen Beitrag, weil die Verträge dadurch trotzdem mitunter immer noch unwirksam sind. Auch im Fall von Hook Consulting gibt es zwar inzwischen ein abweichendes Urteil des Landgericht Ravensburg vom 11.07.2023 Az. 5 O 25/23 (auch noch nicht rechtskräftig), bei dem ein Teilnehmer nicht erfolgreich aus der Vertragsfalle herauskam, obwohl er kurz nach dem Vertragsschluss (dort signiert mit Docusign während des Telefonats mit Bastian Hook) den Widerruf des Vertrages erklärt hatte. Das Urteil ist aber aus mehreren anderen Gründen im Ergebnis falsch. Dazu berichte ich näher, weil das hier sonst zu unübersichtlich wird, in einem gesonderten Beitrag.

Update mit neuem Schreiben der ZFU und meine Hinweise für die Praxis
UPDATE 22.08.2023: Herr Sebastian Knoll alias Bastian Hook hat mir per E-mail mitgeteilt, dass er Rechtsmittel einlegt und inzwischen die ZFU ihm mit Schreiben vom 17.08.2023 (adressiert an Hook Consulting E-Commerce EG aus Berlin) bestätigt habe, dass das Bildungsangebot “E-Commerce Masterclass Coaching…..nach Prüfung der von ihm…eingereichten Unterlagen….wegen Fehlens des Merkmals der überwiegenden räumlichen Trennung gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 1 Fernunterrichtsschutzgesetz (FernUSG) nicht unter den Anwendungsbreich des FernUSG“… falle. Eine Zulassung gemäß § 12 Abs. 1 FernUSG ist (laut ZFU) somit nicht erforderlich. Nähere Details sind mir dazu nicht bekannt, denn es ist ja gerade ein Unterschied, was er der Behörde zur Prüfung eingereicht hat und was er dem Teilnehmer bei Vertragsschluss zusichert bzw. in Textform bestätigt. Letzteres erfolgt laut AGB eben nicht, denn es heisst in § 2 der AGB, dass der Vertrag (auch) fernmündlich …. zustandekommt und in Absatz 3, dass der Teilnehmer auf eine separate Auftragsbestätigung keinen Anspruch habe. Es wird also Wert darauf gelegt, die fernmündlichen Zusagen dem Teilnehmer nicht schriftlich oder wenigstens per E-mail zu bestätigen.

Ich gehe daher weiterhin von einem Warnbedürfnis wegen Gefahr einer Vertragsfalle aus, das ausnahmsweise die namentliche Nennung im wettbewerblichen Kontext rechtfertigt und verweise hierzu beispielhaft auf das Urteil des Bundesgerichtshofs (BGH, Urteil vom 06.05.2021, Az. I ZR 167/20 – Vorsicht Falle).

Haben Sie Fragen zu einem ähnlichen Thema als Anbieter, E-Learning-Plattform, Developer oder Teilnehmer…..? Dann nehmen Sie hier gerne Kontakt auf oder rufen unter +49 6031-6708843 an.

Kategorien
Blogroll Digitale Produkte e-Learning Fernunterricht Verbraucherschutz Vertragsrecht

Anmerkung zum OLG Celle Urteil vom 1.3.2023 – ZFU-Zulassung auch beim B2B-Geschäft nötig

Was Anbieter im Bereich E-Learning und Online-Weiterbildungskursen zu den aktuellen Urteilen rund um das Fernunterrichtsgesetz und die Anwendung auch im B2B-Geschäft wissen sollten – eine Anmerkung für die Praxis. Es gab viel Aufregung, nachdem bereits einige Gerichte wie das Landgericht Hannover, Landgericht Stade und Landgericht Berlin Anfang 2023 und dann auch das Oberlandesgericht Celle mit Urteil vom 01.03.2023 entschieden haben, dass auch Unternehmer und Selbständige geschützte Teilnehmer bei Fernunterricht im Sinne des § 1 Fernunterricht sind. Recht undifferenziert, gab es dazu viel irreführende Berichterstattung, weil die Branche spätestens seit Corona stark angewachsen ist, und hier “Coaching-Anbieter” betroffene Parteien waren und daher die Aufregung in der e-Learning und Coaching-Branche groß, weil doch Coaching im Normalfall eben gerade nicht Fernunterricht im Sinne des FernUSG darstellt. Aber die betroffenen zulassungspflichtigen Anbieter benötigen dann – egal ob inländische oder ausländische Anbieter – für die deutschen Teilnehmer eine Zulassung nach § 12 FernUSG.

Ohne diese ZFU-Zulassung ist ein Fernunterrichtsvertrag im Sinne des § 1 FernUSG sonst nach § 7 FernUSG nichtig. Irgendwelche kreativen Gestaltungen sind nach dem Gesetz unwirksam, z.B. Versuche, die Erfolgskontrolle mit der Zertifizierung des Teilnehmers auf andere Institute auszulagern. Das Geschäftsrisiko wird auch noch dadurch erhöht, dass Teilnehmer in solchen Fällen die bezahlte Vergütung zurückverlangen können und die zuständige Zentralstelle für Fernunterricht (zfu.de) ein Verfahren mit dem Ergebnis einer Unterlassungsverfügung und Ordnungsgeld einleiten kann. Die Ansprüche verjähren frühestens nach 3 Jahren. Kein Wunder also, dass Anbieter der e-Learning-Branche, die hier nicht vorbereitet sind, Rechtssicherheit benötigen.

In den Fällen der Entscheidungen scheint es aber jedenfalls so gewesen zu sein, dass sie nicht darauf geachtet haben, den Kurs, Unterricht oder Training mehr als 50 % synchron anzubieten.

Denn in beiden Entscheidungen haben nach dem Tatbestand des Gerichtes die Anbieter dazu nichts vorgetragen, ob nach der Werbung und Durchführung die Betreuung der Lehrenden überwiegend, also mehr als 50 % des Lernaufwandes des Teilnehmers gewesen sein sollte. Das kommt je nach Lernziel bei Standby-Betreuung von Trainingseinheiten in Betracht. Je nach Lerninhalt sind häufig Trainingseinheiten ein großer Anteil, sodass dort nur eine Standby-Betreuung Sinn macht und nach dem Schutzzweck des Fernunterrichtsgesetz kein Nachteil darstellt, denn diese Übungen und Betreuung hierfür wären auch im Falle eines Präsenzunterrichts nicht als Frontalunterricht oder Webinars die pädagogisch zielführende Unterrichtsform.

Inwieweit hier also die Anteile synchron und asynchron waren, wurde im Falle dieser Entscheidungen nicht weiter vertieft, weil anscheinend die Anbieter unseriös waren und sich das bei der Konzeption und Bewerbung des Angebots vorher zum Nachteil der Teilnehmer gar nicht richtig überlegt haben. Ob und wann eine Standby-Betreuung bei Trainings im virtuellen Raum oder sonstigen Übungen oder Livewebinare trotz der Bereitstellung von Aufzeichnungen als synchron angesehen werden können, ist hierbei noch nicht höchstrichterlich geklärt.

Es ist also keineswegs so, dass alle Online-Kurse nun alle zulassungspflichtig sind. Wenn Sie anwaltliche Hilfe zu diesem Thema benötigen, schicken Sie mir gerne eine Anfrage.

Kategorien
Blogroll Digitale Produkte e-Learning Fernunterricht Internetrecht Uncategorized Vertragsrecht

Landgericht Hannover: Online-Coaching im B2B-Bereich benötigt ZFU-Zulassung nach dem Fernunterrichtsgesetz

1. Das LG Hannover hat am 20.02.2023 die Vergütungsklage eines Online-Coaching-Anbieters abgewiesen, weil der Vertrag ohne ZFU-Zulassung in Deutschland nichtig war. Denn anders als der Coaching-Unternehmer meinte, können auch Unternehmer als Teilnehmer im Sinne des FernUSG geschützt sein. Da seinem Coaching-Ausbildungskurs eine Zulassung der ZFU fehlte, war der Vertrag nach §§ 7, 12 FernUSG unwirksam. Denn, so das LG Hannover, der Gesetzgeber des Fernunterrichtsschutzgesetzes (§ 7 in Verbindung mit § 12 FernUSG) hat bewusst den Teilnehmerkreis nicht nur auf Verbraucher beschränkt.
Das hat zur Folge, dass Teilnehmer also zulassungspflichtige Online-Kurse (sofern die übrigen Voraussetzungen vorliegen) widerrufen können oder bei Fehlen der ZFU-Zulassung unter Umständen sogar die Vergütung zurückverlangen. Internationale e-Learning-Anbieter, die Teilnehmer aus Deutschland haben, sollten also prüfen, ob sie eine Zulassung der Zentralstelle für Fernunterricht (ZFU.de) nach dem FernUSG beantragen müssen: Denn wenn ein B2B-Online-Kurs (z.B. “Zertifikatskurs” oder “Online-Ausbildung”) unter Umständen als Fernunterricht im Sinne des Fernunterrichtsschutzgesetz (FernUSG) auch auf Selbständige und Unternehmer als Teilnehmer anwendbar ist, gilt auch die Zulassungspflicht nach §§ 7, 12 FernUSG für ausländische Anbieter, die Kunden in Deutschland haben, und gilt hier auch das Umgehungsverbot nach § 8 FernUSG. Zulassungspflichtige Kurse ohne eine solche Zulassung der ZFU sind nach § 7 Abs.1 FernUSG nichtig und Teilnehmer können fristlos kündigen. Viele Anbieter meinten bisher, das bereits seit langem bestehende Gesetz dadurch umgehen zu können, dass sie in Deutschland Kurse nur Unternehmen und Selbständigen anbieten, aber dies führt nach dieser Rechtssprechung aus der Zulassungspflicht nicht heraus. Wegen des Umgehungsverbots nach § 8 FernUSG ist es auch unsicher, ob ausländische Anbieter der Zulassungspflicht mit den strengen Vorgaben des FernUSG mit einer Rechtswahl- und Gerichtsstandsvereinbarung entgehen können (allerdings ist die Formulierung im Gesetz merkwürdig und spricht hier nur von “einer anderen Rechtsform”, die verboten sein soll – daher ist dem Wortlaut nach ungeklärt, ob das auch eine andere Rechts- und Gerichtsstandswahl einschließen soll).

2. Ferner hat das Landgericht Hannover mit Urteil vom 20.02.23 klargestellt: Eine Lernerfolgskontrolle im Sinne des § 1 FernUSG liegt auch dann vor, wenn lediglich mündlich oder im Chat online bzw. im Rahmen von Videocalls und Webinaren die Gelegenheit der Teilnehmer besteht, zum Lerninhalt individuelle Fragen zu stellen.

Aus den Urteilsgründen im Volltext: Beginn Zitat—————————————–

Landgericht Hannover

URTEIL Verkündet am 20.02.2023

13 S 23/22

───────────────────── ___________________

463 C 11294/20

In dem Rechtsstreit

XXX

– Beklagte und Berufungsklägerin –

Prozessbevollmächtigter:

xxx

Geschäftszeichen: Z-55/20-bp

gegen

XXX – Kläger und Berufungsbeklagter –

Prozessbevollmächtigter:

XXX

Geschäftszeichen: XXX

hat das Landgericht Hannover – 13. Zivilkammer – durch den Vorsitzenden Richter am

Landgericht XXX, den Richter am Landgericht XXX und den Richter am Landgericht XXX auf

die mündliche Verhandlung vom 30.01.2023 für Recht erkannt:

Auf die Berufung der Beklagten wird das am 13.07.2022 verkündete Urteil

des Amtsgerichts Hannover – 463 C 11294/20 – teilweise abgeändert und

insgesamt wie folgt neu gefasst:

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits beider Instanzen trägt
der Kläger und Berufungsbeklagter.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf die
Wertstufe bis 1.500,00 Euro festgesetzt.

Gründe:

I.

Der Kläger nimmt die Beklagte auf Zahlung der Vergütung für ein Online-Coaching im Bereich der Fotografie in Anspruch.

Am 11.02.2020 vereinbarten die Parteien im Wege einer Videokonferenz eine Vertragslaufzeit von zwölf Wochen zu einer Vergütung in Höhe von 3.000,00 Euro netto, die in drei gleichen Raten entrichtet werden sollte. Der Kläger ließ sich bei Vertragsschluss durch XXX vertreten.

Der Leistungsumfang wurde von ihr ausweislich der Aufzeichnung des Vertragsschlusses u.

a. wie folgt beschrieben:

„Du durchläufst das Programm mittels einer Lernplattform und du bekommst regelmäßig

Aufgaben gestellt, damit du jeden Tag deinem Ziel näherkommst und darüber hinaus wirst

du dann Zugriff auf unsere explizit dafür erstellte Facebook-Gruppe haben. Zusätzlich

werden wir wöchentlich ein Live-Seminar anbieten, welches wieder über Zoom stattfindet,

indem wir dann gemeinsam alle aktuellen Schritte besprechen und darüber hinaus können

wir deinen Leistungsstand überwachen und somit dazu beitragen, dass du eben die

beschriebenen Schritte der Leistungsbeschreibung einhältst.“

Hinsichtlich der Einzelheiten wird auf die Anlage K5 (USB-Stick Bl. 111 d. A.) Bezug genommen.

Mit Schreiben vom 12.02.2020 erklärte die Beklagte den Widerruf. Hinsichtlich der Einzelheiten wird auf die Anlage B1 (Bl. 86 d. A.) Bezug genommen.

Mit der Klage hat der Kläger die erste Rate in Höhe von 1.190,00 Euro als Teilklage geltend gemacht und vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 169,50 Euro, Mahnkosten in Höhe von 10,00 Euro sowie Auskunftskosten in Höhe von 15,00 Euro.

Das Amtsgericht, auf dessen Urteil wegen des erstinstanzlichen Parteivortrags, der getroffenen Feststellungen und der gestellten Anträge Bezug genommen wird, hat der Klage

– bis auf die Mahn- und Auskunftskosten – stattgegeben. Der Beklagten stehe mangels Verbrauchereigenschaft kein Widerrufsrecht zu. Das Fernunterrichtsgesetz sei nicht anwendbar, weil eine Überwachung des Lernerfolgs nicht geschuldet sei. Es könne auch dahinstehen ob es sich um ein überteuertes Produkt handele. Dass die insoweit allein entscheidende Grenze des § 138 BGB erreicht wäre, sei mangels ausreichender Darlegung nicht festzustellen.

Hiergegen richtet sich die Berufung der Beklagten. Sie ist der Auffassung, dass sie als Verbraucher zu qualifizieren sei. Des Weiteren sei das Fernunterrichtsgesetz anwendbar, das nicht zwischen Unternehmern und Verbrauchern unterscheide. Im Übrigen bestehe ein völliges Missverhältnis zwischen dem Wert der Schulung und dem Wert des Buches, das der Kläger über seinen Schulungsinhalt zu einem Preis von 5,99 Euro herausgebe.

Die Beklagte beantragt,

unter Abänderung des Urteils des Amtsgerichts Hannover vom
13.07.2022 – Az. 463 C 11294/20 – die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er verteidigt das angefochtene Urteil. Insbesondere sei das Fernunterrichtsgesetz nicht anwendbar. Ein vertraglicher Anspruch auf Durchführung von Prüfungen habe nicht bestanden und sei auch nicht schlüssig vorgetragen worden. Allein die Tatsache, dass im Rahmen der
Zoomcalls mündliche Fragen zu den Coaching-Inhalten gestellt werden könnten, begründe keine Lernkontrolle im Sinne des Fernunterrichtsgesetzes. Es erfolge lediglich eine Überprüfung, wie viel Zeit investiert würde. Dieses erfolge automatisch durch das Lernprogramm selbst, indem die einzelnen Module selbstständig durchgearbeitet und sodann automatisch freigeschaltet würden. Ob die Inhalte verinnerlicht wurden, sei gerade keine Voraussetzung dafür, dass das weitere Modul freigeschaltet wird. Die Freischaltung sei lediglich an Zeitaufwand gekoppelt.

Wegen des Vorbringens der Parteien im Einzelnen wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.

II.
Die zulässige – insbesondere statthafte und form- und fristgerechte eingelegte – Berufung ist begründet.

1. Der Kläger hat gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Zahlung aus § 611 Abs. 1 BGB in Verbindung mit dem Vertrag vom 11.02.2020.

Der gegenständliche Vertrag ist wegen Verstoßes gegen das Schriftformgebot aus § 3 Abs. 1 FernUSG in der bis zum 31.12.2020 geltenden Fassung gemäß §§ 125, 126 BGB nichtig.

a) Der Anwendungsbereich des FernUSG ist eröffnet.

aa) Gemäß § 1 FernUSG ist Fernunterricht im Sinne dieses Gesetzes die auf vertraglicher Grundlage erfolgende, entgeltliche Vermittlung von Kenntnissen und Fähigkeiten, bei der der Lehrende und der Lernende ausschließlich oder überwiegend räumlich getrennt sind und der Lehrende oder sein Beauftragter den Lernerfolg überwachen. Der Lehrende oder sein Beauftragter soll sich dabei schriftlicher Korrekturen ebenso wie begleitender Unterrichtsveranstaltungen oder anderer Mittel bedienen können. Deshalb kommt auch eine mündliche Kontrolle während eines begleitenden Direktunterrichts alshinreichende Überwachung des Lernerfolgs, z. B. durch Frage und Antwort, in Betracht. Es ist ausreichend, wenn eine individuelle Anleitung des Lernenden vorgesehen ist. Eine Überwachung des Lernerfolgs nach § 1 Abs. 1 Nr. 2 FernUSG ist bereits dann gegeben, wenn der Lernende nach dem Vertrag einen Anspruch darauf hat, z. B. in einer begleitenden Unterrichtsveranstaltung durch mündliche Fragen zum erlernten Stoff eine individuelle Kontrolle des Lernerfolgs durch
den Lehrenden oder seinen Beauftragten zu erhalten, indem er Fragen zum eigenen Verständnis des bisher Erlernten an den jeweiligen Dozenten stellen kann, um insoweit eine persönliche Lernkontrolle herbeizuführen, ob das bisher Erlernte richtig verstanden wurde und
„sitzt” (BGH, Urteil vom 15.10.2009 – III ZR 310/08, BeckRS 2009, 86781, beck-online, Rn. 16 ff.).

bb) Gemessen daran handelt es sich bei dem zwischen den Parteien geschlossenen Vertrag um einen Fernunterrichtsvertrag.

Nach seinem Schwerpunkt ist der Vertrag als Fernunterrichtsvertrag einzuordnen. Insoweit ist nach der Leistungsbeschreibung eine Überwachung des Lernerfolgs geschuldet. Insoweit ist ausdrücklich von der Überwachung des Leistungsstands die Rede, um dazu beizutragen, dass die Leistungsbeschreibung eingehalten wird. Damit wurde der Beklagten nach dem objektiven Empfängerhorizont (§§ 133, 157 BGB) ein Anspruch darauf eingeräumt, dass ihr erlerntes Wissen abgeprüft wird und sie insoweit jedenfalls im Rahmen der Live-Seminare Rückfragen stellen kann. Dagegen ist eine Abschlussprüfung nicht erforderlich. Es kommt auch nicht
darauf an, ob der Kläger tatsächlich vorhatte, den Vertrag gemäß dem – nach Auslegung des Vertrages – vereinbarten Inhalt zu erfüllen.

Dabei kann dahinstehen, ob die Beklagte den Vertrag als Unternehmerin oder Verbraucherin geschlossen hat. Das FernUSG ist auch auf Unternehmer in Sinne des § 14 BGB anwendbar.

Die Regelung kommt auch im b2b-Verhältnis zur Anwendung (Tamm/Tonner/Brönneke, Verbraucherrecht, § 2 Die gesetzlichen Definitionen der Begriffe Verbraucher und Unternehmer Rn. 31, beck-online). Geschützt wird der Teilnehmer in ähnlicher Weise wie ein Verbraucher (BeckOGK/Alexander, 1.11.2022, BGB § 13 Rn. 169.1; BeckOK BGB/Martens,
63. Ed. 1.8.2022, § 13, Rn. 19, beck-online), ohne Verbraucher im Sinne des § 13 BGB sein zu müssen. Das FernUSG bestand bereits vor Einführung des Verbraucherbegriffs im Sinne des § 13 BGB. Der Begriff „Teilnehmer“ ist nicht auf Verbraucher in diesem Sinne beschränkt.

Die Voraussetzungen einer teleologischen Reduktion liegen nicht vor. Anhaltspunkte für eine planwidrige Zuvielregelung bestehen nicht. Soweit in der Gesetzesbegründung vom Verbraucherschutz die Rede ist, schließt dies eine Anwendung auf Unternehmer im Sinne des
§ 14 BGB nicht aus, die im Hinblick auf die Vermittlung von Wissen der Sache nach auch Endverbraucher sind. Insoweit handelt es sich um Verbraucherschutzrecht im weiten Sinne (Tamm/Tonner/Brönneke, Verbraucherrecht, § 1 Verbraucherschutz und Privatautonomie
Rn. 4, beck-online). Der Gesetzgeber hat auch keine Gelegenheit wahrgenommen, den vom FernUSG geschützten Personenkreis einzuschränken, indem er im Rahmen von Änderungen des FernUSG den Begriff „Teilnehmer“ nicht durch den Begriff „Verbraucher“ ersetzt hat.

b) Der Vertrag ist gemäß § 3 Abs. 1 FernUSG a. F. in Verbindung mit §§ 125, 126, 139 BGB nichtig. Er wurde nicht in schriftlicher Form geschlossen, sondern fernmündlich. Soweit der Vertrag weitere Elemente enthält (u. a. Webseitenüberarbeitung), liegt Gesamtnichtigkeit gemäß § 139 BGB vor.

c) Mangels Leistungsaustausch hat der Kläger auch keinen bereicherungsrechtlichen Anspruch.

2. Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91 Abs. 1, § 708 Nr. 10, 713, 544 Abs. 2 Nr. 1 ZPO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 3 ZPO in Verbindung mit § 47 Abs. 1 GKG.
Rechtsbehelfsbelehrung
…..” (noch nicht rechtskräftig)

————–Ende Zitat aus den Urteilsgründen

Wenn Sie Fragen zu dem Thema haben oder anwaltliche Hilfe suchen, senden Sie mir gerne eine Anfrage.

Kategorien
Blogroll Digitale Produkte e-Learning Fernunterricht Internetrecht Verbraucherschutz Vertragsrecht

Landgericht Berlin: Online-Lehrgang zum Fitnesstrainer ohne ZFU-Zulassung verboten

Achtung Vertragsfallen bei Online-Ausbildungen und Zertifikatskursen ohne Zulassung
In diesem Beitrag berichte ich über zwei aktuelle praxisrelevante Urteile im Bereich #e-Learning und #Online-Zertifikats-Lehrgänge. Online-Ausbildungen und Zertifikatslehrgänge (zu oft nicht anerkannten) Berufen wie „Transformationscoach“ oder „Fitnesstrainer“ haben in der Pandemie stark zugenommen und stellen für die Teilnehmer oft eine sehr erhebliche zeitliche und finanzielle Investition in ihre berufliche Karriere dar. Bitter für die Anbieter: Sie erhalten nicht nur auf Antrag etwa eines Teilnehmers, Wettbewerbers, einer Verbraucherzentrale oder der Aufsichtsbehörde (hier die ZFU.de) eine Untersagungsverfügung mit Kostenrechnung, sondern müssen den Teilnehmern auch das Geld zurück zahlen. Viele Teilnehmer sind hier zwar ihrer Rechte nicht bewusst. Es ist aber sowohl für die Anbieter als auch die Teilnehmer umso wichtiger, wenn Anbieter die rechtlichen und qualitativen Anforderungen einhalten, darüber Klarheit hergestellt wird und Teilnehmer vor unseriösen Anbietern effektiv geschützt werden. Deshalb ist Fernunterricht in vielen Fällen nach dem Fernunterrichtsgesetz (FernUSG) zulassungspflichtig und ist auf einen Vertrag zu achten, indem alle essentiellen Details klar geregelt sind. In zwei aktuellen Entscheidungen war das nicht der Fall.

1. Unterlassungsverfügung des Landgerichts Berlin gegen Online-Kurs zum Fitnesstrainer
Das Landgericht Berlin hat mit einer einstweiligen Unterlassungsverfügung vom 15.02.2022 auf Antrag der Wettbewerbszentrale einem Anbieter für einen Online-Lehrgang zum Fitnesstrainer verboten, diesen rein online stattfindenden Lehrgang ohne eine Zulassung der Zentralstelle für Fernunterricht (ZFU) anzubieten. Denn in dem Lehrgang war es möglich, Fragen zu stellen und er sollte zum Beruf des Fitnesstrainers ausbilden. Das stellte nach dem Landgericht einen zulassungspflichtigen Fernunterricht nach dem Fernunterrichtsschutzgesetz (FernUSG) dar. Nach § 8 FernUSG sind Gestaltungen, mit denen die strengen Vorgaben an die Vertragsgestaltung und Zulassung bei der zuständigen ZFU umgangen werden, verboten. Die Regelungen sind zum Schutze der Teilnehmer weit auszulegen.
Die Entscheidung ist unter LG Berlin, Urteil vom 15.02.2022 – 102 O 42/21 – openJur im Volltext abrufbar.

2. Rechtswidrige Zertifikatskurse
Weitere Negativ-Beispiele aus meiner Praxis sind Anbieter, die mit einer sehr aggressiven Vertriebspraxis Unternehmer und Selbständige zur Buchung von hochpreisigen Lehrgängen zum „Verhandlungsexperten“ und „Zertifikatskurs“en über Social Media zu zunächst kostenlosen Workshops einladen – sei es online oder in Präsens- oder Hybridveranstaltungen –, um dann den von den Workshops begeisterten Interessenten über den telefonischen Vertrieb oder über Online-Formulare Verträge und „Zertifikatskurse“ zu horrenden Preisen zu verkaufen, deren Inhalt und Details nicht dokumentiert werden und oft rechtswidrig sind. Über wichtige Vertragsbestandteile wie Vertragspartner, Lehrgangsinhalte, Leistungspflichten, Preisbestandteile und Nebenkosten sowie Gesamtpreis, Kündigungs- und Widerrufsrechte und ähnliches sind in Textform vor Vertragsschluss zu informieren und die unseriösen Anbieter tun das nicht oder jedenfalls nicht in der vorgeschriebenen Form bzw. machen irreführende Angaben. Wenn die Teilnehmer dann nach der geleisteten Anzahlung feststellen, dass sie keinen dokumentierten Vertrag haben oder die Bestätigung einen anderen Inhalt hat als nach der Werbung gedacht, oder überraschend z.B. in eine „Probe-Mitgliedschaft“ in einer Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft (EWIV) zugestimmt haben, die angeblich die Steuern zum Lehrgang ersparen soll, wird den meisten Teilnehmern klar, dass der Vertrag wohl nicht so ganz rechtskonform ist. Teilnehmer sind dann oft wegen der fehlenden oder irreführenden Vertragsgestaltungen unsicher, wie sie sich wehren können. Diesen Teilnehmern kann ich sagen: Lassen Sie sich nicht durch Drohungen einschüchtern, sondern kündigen Sie und widersprechen Sie in dokumentierter Form zeitnah diesen Vertragsfallen mit einer kurzen Begründung und senden Sie dies sowohl per E-mail als auch Einschreiben an die Anbieter. Holen Sie sich im Zweifel anwaltliche Hilfe, wenn der Anbieter Ihnen die Auflösung nicht bestätigt, sondern trotzdem Zahlungsaufforderungen und Inkassoschreiben sendet.

2. Praxistipp für Anbieter von Lehrgängen und Fernkursen: lassen Sie sich lieber vorbeugend anwaltlich beraten, ob und wie ihr Angebot zulassungspflichtig ist und den sonstigen Anforderungen entspricht, damit ihr Geschäftsmodell solide aufgestellt ist.

3.Praxistipp für die reingelegten Teilnehmer: Die Scham ist oft groß, wenn man feststellt, dass man sogar als intelligenter Mensch in so eine Falle getappt ist. Aber das ist nicht berechtigt, denn die Anbieter sind verschlagen und jeder hat mal einen schlechten Tag und macht Fehler. Kommen Sie aus so einem Vertrag wieder heraus oder müssen Sie die „Gebühren“ zahlen? Die Antwort ist wie immer: Ich denke, in vielen Fällen ja, aber es ist rechtlich unter anderem wegen der Beweisführung oft kompliziert und nicht eindeutig. Also: es kommt drauf an, lassen Sie es – wenn es um einen hohen Betrag geht – anwaltlich prüfen.

4. Wichtig ist dazu auch das zweite dazu ergangene Urteil des Landgericht Hannover: Auch Selbständige und Unternehmer können als Teilnehmer nach dem Fernunterrichtsgesetz unberechtigte Forderungen zurückweisen, wenn der Lehrgang nach dem Fernunterrichtsgesetz zulassungsbedürftig ist und der Anbieter die Zulassung nicht vorher eingeholt hat, so jedenfalls die Ansicht der ZFU, die z.B. vom Landgericht Hannover geteilt wird. Ohne die Zulassung ist ein insoweit zulassungspflichtiger Vertrag nach §§ 7, 12 FernUSG nichtig und darauf können sich auch Selbständige und Unternehmer berufen, so die Ansicht der ZFU, die aktuell auch vom Landgericht Hannover (Urteil vom 20.02.2023, Az.: 13 S 23/22) bestätigt wurde. Die Entscheidung ist allerdings noch nicht rechtskräftig und noch nicht höchstsrichterlich geklärt.

Auf Nachfrage erhielt ich dazu auch den Hinweis:
Zitat ——-„…

Aus ZFU-Sicht findet das Fernunterrichtsschutzgesetz (FernUSG) auch auf Unternehmer im Sinne von § 14 BGB Anwendung.
Nach Auffassung des Gerichts ist der Begriff „Teilnehmer“ nicht auf Verbraucher in diesem Zusammenhang beschränkt. Darüber hinaus sind die Voraussetzungen einer teleologischen Reduktion nicht gegeben. Hinweise auf eine planwidrige „Zuvielregelung“ des Gesetzes sind nicht ersichtlich. Der „Teilnehmende“ wird in ähnlicher Weise geschützt, wie ein Verbraucher (BeckOGK/Alexander, 1.11.2022, BGB § 13 Rn. 169.1; BeckOK BGB/Martens, 63. Ed. 1.8.2022, § 13, Rn. 19, beck-online), ohne Verbraucher im Sinne des § 13 BGB sein zu müssen.
Nicht zuletzt trat das FernUSG bereits vor Einführung des Verbraucherbegriffs (im Sinne des § 13 BGB) in Kraft. Soweit in der Gesetzesbegründung (vgl. BT-Drs. 7/4245) vom Verbraucherschutz die Rede ist, schließt dies grundsätzlich nicht die Anwendung auf Unternehmer im Sinne des § 14 BGB aus, die im Hinblick auf die Vermittlung von Wissen der Sache nach auch Endverbraucher sind. Insoweit handelt es sich um Verbraucherschutzrecht im weiten Sinne (Tamm/Tonner/Brönneke, Verbraucherrecht, § 1 Verbraucherschutz und Privatautonomie Rn. 4, beck-online).
Im Übrigen hatte der Gesetzgeber aufgrund diverser Novellierungen die Gelegenheit, das FernUSG zu ändern. Diese Möglichkeit wurde nicht wahrgenommen. Vor diesem Hintergrund ist davon auszugehen, dass der vom FernUSG geschützte Personenkreis somit nicht eingegrenzt werden sollte, indem der Begriff „Teilnehmer“ durch den Begriff „Verbraucher“ ersetzt wird…

>“ ——Zitatende

5. Selbst wenn je nach Gestaltung des Angebots kein zulassungspflichtiger Fernunterricht nach § 1 FernUSG vorliegen sollte, kommen weitere Gründe je nach Einzelfall in Betracht, die eine Nichtigkeit begründen können oder dem Teilnehmer ein Widerrufs-/Anfechtungs- oder Kündigungsrecht nach dem BGB einräumen, sodass gegebenenfalls sogar die Anzahlung zurückbezahlt werden muss. Zwar können Selbständige und Unternehmer sich im Normalfall nicht auf ein Widerrufsrecht nach dem Fernabsatzrecht wie ein Verbraucher berufen, aber bei Irreführung, Wucher, Täuschung oder wenn eine entgeltliche Finanzierungshilfe gewährt wird, haben auch Selbständige und Unternehmer nach dem BGB in vielen dieser Fälle dennoch rechtliche Möglichkeiten, die Verträge mit einer Kündigung mangels Vertrauen hilfseise Anfechtungserklärung wegen Irrtum aufzulösen, da es Dienste höherer Art sind, die nach dem BGB immer eine vorzeitige Kündigungsmöglichkeit des Dauervertrags ermöglichen müssen. Diese Erklärungen müssen aber zeitnah ab Kenntnis der Gründe erfolgen. Ferner können auch Existenzgründer sich auf ein Widerrufsrecht berufen, wenn der Anbieter oder Kooperationspartner für die Zahlung auf Raten eine entgeltliche Finanzierungshilfe gegeben haben. Es kommt also darauf an, dass Sie die entsprechende Korrespondenz, Zahlungsseiten, Videos und E-mails dokumentieren können, aus denen sich das ergibt. Hilfsweise sollte auch eine Anfechtung wegen Irrtums spätestens innerhalb von 2 Wochen oder arglistiger Täuschung spätestens innerhalb von 1 Jahr erklärt werden. Auf diese Weise können die Verträge oft wirksam wieder aufgelöst werden. Manchmal wird auch Nichtigkeit wegen Wuchers nach § 138 BGB vorliegen je nach Lage des Falls. Achten sollten Sie dann aber darauf, dass sie die Erklärung mit Begründung nachweislich in dokumentierter Form am besten nicht nur per E-Mail sondern auch Einschreiben mit Sendungsbeleg an die Anbieter senden. Zum Problem, dass einige Anbieter von Online-Seminaren, die Zulassungsfrage nach dem Fernunterrichtsgesetz übersehen, hatte ich bereits 2017 hier berichtet.

Wenn Sie als Anbieter ihren Prozess rechtskonform aufsetzen möchten oder als betroffener Teilnehmer einen ähnlichen Problemfall haben, fragen Sie gerne bei mir mit einer kurzen Schilderung des aktuellen Problems und Situation bei mir an.

Kategorien
Blogroll Digitale Produkte Schadenersatzrecht Schadensrecht Vertragsrecht

Haftung eines B2B-Software-as-a-Service-Anbieters für unzureichende Aufklärung über Anforderungen

Die Anbieter von Software-as-a-Service-Business-Lösungen haben das Bestreben, Lizenzverträge nur langfristig zu vergeben und dies ist anders als im Privatkundenbereich im B2B Bereich meist eine Laufzeit über viele Jahre. Umso ärgerlicher ist es für den Kunden, wenn sich nach Abschluss des Vertrages herausstellt, dass erwartbare Funktionen bei ihm nicht funktionieren. Beispielsweise weil die Vernetzung mit weiteren vorhandenen Systemen einer ERP Software nicht erfolgreich hergestellt werden kann und die hierfür nötigen Schnittstellen erst noch programmiert werden müssten oder mangels Mithilfe von Drittanbietern nicht erstellt werden können. Auch wenn etwa wegen individueller Besonderheiten und Anforderungen des Geschäfts des Kunden wesentliche Funktionen der Software gar nicht genutzt werden können.

Schadenersatz eines IT-Anbieters wegen Verletzung der vorvertraglichen Aufklärungspflichten über konkreten Anforderungen des Kunden
Das OLG München hat nun in einem Beschluss vom 08.08.2022 Az. 20 U 3236/22 (wie Rechtsanwalt Thomas Stadler, Freising, Bayern, Deutschland berichtet) entschieden, dass der Anbieter einer Buchungssoftware für Hotels von sich aus klären muss, welcher Art der Betrieb seines Kunden ist und welche Anforderungen sein Geschäft an die zu verwendende Buchungssoftware erfüllen soll. Dies gilt jedenfalls dann, wenn anhand weniger Grundfragen – unabhängig von einem Pflichtenheft – diese Anforderungen zu klären gewesen wären. Im Streitfall hatte der Anbieter die Buchungssoftware vermietet, jedoch nicht vor Abschluss des Vertrages darüber aufgeklärt, dass die Software nur jeweils tageweise Buchungen und Rechnungen ermöglicht, keine monatsweise Vermietung vorgesehen ist und die monatsweise Buchung und steuerlich einwandfreie Abrechnung mit Mehrwertsteuer unabhängig von der Anzahl der Anzahl der Tage des jeweiligen Monats diese Buchungssoftware nicht ermöglichte.

Die Verletzung der Aufklärungspflichten machte den Anbieter schadenersatzpflichtig wegen vorvertraglichem Verschuldens nach §§ 280, 311 Abs. 2 BGB auf Rückgängigmachung des Vertrages und Rückerstattung der bereits geleisteten Zahlung, weil bei pflichtgemäßer Aufklärung der Kunde den Vertrag gar nicht abgeschlossen hätte.

Bauprozessoptimierungssoftware ohne konkret benötigte Schnittstellen.
Ähnlich ging es einer Baufirma auch in einem mir vorliegenden Fall, in dem ein deutscher Spezialanbieter für eine Prozessoptimierung der Planung und Logistik für Straßenbaufirmen, die die Vernetzung der Beton- und Asphaltmischanlagen mit Wiegesystem sowie den automatischen Datenaustausch der Geräte zur optimierten Planung in Echtzeit mit einem Software-as-a-Service-System anbot. Obwohl die Software laut Anbieter bei über 200 Mischanlagen funktioniert, stellte sich nach Vertragsschluss heraus, dass der Anbieter für die konkreten Mischanlagen des Kunden und das Wiegesystem keine Schnittstellen bereitstellen konnte und die für die Prozessoptimierung benötigte Vernetzung der Anlagen nicht funktioniert. Des Weiteren stellten sich auch die Werbeaussagen eines automatischen digitalen Lieferscheins, das der Bauleiter „vor Ort“ auf Knopfdruck erstellen lassen kann, als irreführend heraus. In diesem Fall kam es anschließend ebenfalls zum Streit über die Wirksamkeit der fristlosen Kündigung und über die gegenseitigen Zahlungs- oder Schadenersatzansprüche, der nun beide Unternehmen schwer belastet und über den es noch zu keiner Einigung oder gerichtlichen Entscheidung kam.

#Softwarerecht #Haftung des IT-Anbieters #Schadenersatzpflicht wegen fehlender vorvertraglicher Aufklärung über Anforderungen #Digitale Produkte

Praxistipp für die IT-Beschaffung Achten Sie darauf, die wesentlichen Erwartungen an die Funktionen der Software und deren Systemspezifikationen vor Vertragsschluss mit den konkreten Anforderungen des Kunden abzugleichen und dies im Vertrag oder einer Anlage, die zum Bestandteil des Vertrags gemacht wird, ausdrücklich zu dokumentieren. Soweit diese Anforderungen noch nicht geklärt sind und der Anbieter hierbei nicht hilft, fragen Sie nach einem Beratungsvertrag, Vorvertrag oder Letter-of-Intend vor Abschluss des Hauptvertrages. Lassen Sie besser unternehmenskritische IT-Verträge vor Abschluss fachanwaltlich prüfen.

Wenn Sie anwaltliche Hilfe bei einer ähnlichen Fallgestaltung haben und z.B. eine Vertragsprüfung benötigen, schreiben Sie mir gerne eine Nachricht.