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#Urheberrecht #Kunst: Bundesverfassungsgericht erlaubt Sampling und stärkt Kunstfreiheit

pixabay-turntable-1328823_640Zum Konflikt Urheberrecht und Kunstfreiheit bei der Übernahme von Tonsequenzen in der Musik aus fremden Werken (sog. Sampling) hat das Bundesverfassungsgericht eine interessante Grundsatzentscheidung getroffen und Urteile des Bundesgerichtshofs aufgehoben (BVerfGE Urteil vom 31. Mai 2016 – 1 BvR1585/13 – Pressemitteilung des BVerfG). Damit hat das Gericht den Verfassungsbeschwerden betroffener Musiker stattgegeben und an den BGH zurückverwiesen, bei denen es um die rechtliche Zulässigkeit des sog. Samplings ging, d.h. die Übernahme von kurzen Rhythmussequenzen oder anderen Tonspuren aus einem bekannten Musikstück. Diese bei Produzenten wie hier dem Hip-Hopper Pelham beliebte Verfahrensweise beim Schaffen neuer Tracks war Gegenstand des Streits, bei dem er Kraftwerk und ihre Tonträgerhersteller nicht um Erlaubnis gefragt hat, als er Tonschnipsel übernommen hat. Während die Tonträgerhersteller des betroffenen Musikstücks „Metall auf Metall“ der Band „Kraftwerk“ einen unzulässigen Eingriff in ihre Verwertungsrechte geltend machten, haben die auf Unterlassung und Schadenersatz in Anspruch genommenen Künstler geltend gemacht, dass die Übernahme eine von der Kunstfreiheit gemäß Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG gebotene freie Benutzung sei (§ 24 Abs. 1 UrhG).

Das Bundesverfassungsgericht hat die Urteile des BGH aufgehoben und zur weiteren Verhandlung zurückverwiesen und dabei ausgeführt, dass das erfolgreich angegriffene Urteil des Bundesgerichtshof mit ungeeigneten Kriterien das Recht auf freie Benutzung nach § 24 Abs. 1 UrhG eingeschränkt habe, die mit der grundrechtlich geschützten Kunstfreiheit nach Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG nicht vereinbar ist.

Die beiden Komponisten und die Musikproduktionsgesellschaft des Titels „Nur mir“ haben damit in zulässigerweise im Wege des Samplings 2 Sekunden Rhythmus aus dem Titel „Metall auf Metall“ verwendet. Das Bundesverfassungsgericht führt zur Begründung aus, daß hier die Urheberrechte der Künstler von Kraftwerk und ihrer Rechteverwerter (die Tonträgerhersteller) gegenüber den Interessen der anderen Künstler zurücktreten müssen. Wenn selbst die Übernahme kleinster Tonsequenzen laut BGH zu einem unzulässigen Eingriff in die Tonträgerrechte führen würden, wäre es wegen der inhaltlichen Beschränkungen und finanziellen Risiken Künstlern, die Neues schaffen möchten, praktisch oft verwehrt mit bekannten vorhandenen Künstlern und ihren Werken in einen künstlerischen Dialog zu treten. Denn Musikschaffende könnten im Bereich von Musikrichtungen wie etwa dem Hip Hop, der auf dem „Zitieren“ bekannter Werke und dem collagenartigen Zusammenstellen von Werken aufbaut und eine neue stilprägende Musikrichtung daraus gemacht hat, keine neuartigen Werke schaffen, die diesen genrespezifischen Aspekte berücksichtigt. Denn Künstler hätten sonst nur die Möglichkeit, entweder eine kostenpflichtige Lizenz einzuholen, die der Tonträgerhersteller auch verweigern könne, oder die betreffenden Sequenzen selbst neu nachzuspielen. Das gleichartige Nachspielen von Klängen würde aber keinen gleichwertigen Ersatz darstellen, da der Einsatz von Samples ein stilprägendes Element des Hip-Hop sei. Auf der anderen Seite stehe dem nur ein geringfügiger Eingriff entgehen (hier nur 2 Sekunden Übernahme der Rhythmustonspur aus dem Titel „Metall auf Metall“), da erhebliche wirtschaftliche Nachteile oder eine Gefahr von Absatzrückgängen aufgrund dieses Eingriffs nicht ersichtlich seien. Die Verwertungsinteressen haben daher bei geringfügigem Sampling in der hier streitgegenständlichen Art gegenüber den künstlerischen Interessen der Musikschaffenden zurückzutreten. Der BGH wird diese verfassungsrechtliche Wertung daher bei seiner erneuten Entscheidung und Auslegung des § 24 UrhG und der Entwicklung der Kriterien der freien Benutzung beim Sampling zu berücksichtigen haben. Dabei weist das BVerfG in seiner Entscheidung noch darauf hin, dass von Verfassungs wegen der Gesetzgeber nicht gehindert ist, gesetzlich einen Anspruch auf finanziellen Ausgleich für diese Duldungspflicht der Tonträgerhersteller und ihrer Künstler zu regeln. Ferner wird der Bundesgerichtshof als zuständiges Fachgericht auch zunächst zu prüfen haben, inwieweit etwa durch vorrangige Unionsrecht noch Spielraum für die Anwendung des deutschen Rechts bleibt, nachdem die Urheberrechts-Richtlinie der Europäischen Union möglicherweise abschließend ist.

Von Stefanie Hagendorff - Rechtsanwältin und IT-Fachanwältin

Rechtsanwältin Hagendorff - Fachanwältin für IT-Recht und Datenschutzrecht mit Sitz in Friedberg bei Frankfurt/Main
Deutschland, Stefanie Hagendorff
https://www.it-fachanwaeltin.de/

Eine Antwort auf „#Urheberrecht #Kunst: Bundesverfassungsgericht erlaubt Sampling und stärkt Kunstfreiheit“

Vielen Dank für den hochinteressanten und gut geschriebenen Artikel. Ich bin als auf Recht und Technik spezialisierte Übersetzerin ständig an Fortbildung interessiert und werde Ihre Blogs gerne abonnieren.

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